1 Leitsätze
§ 16 Abs. 4 WEG steht einem Beschluss nicht entgegen, der einzelnen Wohnungseigentümern die Durchführung einer baulichen Veränderung mit der Maßgabe gestattet, dass die bauwilligen Wohnungseigentümer sämtliche Errichtungskosten und Folgekosten der Maßnahme tragen. Dies gilt auch dann, wenn eine solche – hinreichend bestimmt beschriebene – Maßnahme im Zeitpunkt des Beschlusses noch nicht geplant ist.
Hat ein Wohnungseigentümer eigenmächtig eine bauliche Veränderung vorgenommen, haben die Wohnungseigentümer die Beschlusskompetenz, dies mit der Maßgabe zu genehmigen, dass der die Veränderung vornehmende Wohnungseigentümer die Folgekosten der Maßnahme trägt.
2 Normenkette
§ 16 Abs. 4, § 22 Abs. 1 WEG
3 Das Problem
Die Wohnungseigentümer gestatten sich durch Beschluss im Jahr 2012, an den Fenstern und Türen hofseitig fach- und sachgerecht Jalousien, Lamellen und feste Verschattungen zu installieren. Im September 2013 lässt Wohnungseigentümer B deshalb jeweils an der Stahlbaukonstruktion der Hofseite seiner Wohnungen Außenjalousien anbringen. Gegen diese Anbringung geht Wohnungseigentümer K vor. Das AG weist die auf Beseitigung der Jalousien gerichtete Klage ab. Während des zweiten Berufungsverfahrens (das erste Urteil hatte der BGH aufgehoben) im Jahr 2018 gestatten sich die Wohnungseigentümer erneut, an die hofseitig gelegene und südwärts vorgelagerte Fassaden- und Balkonkonstruktion Verschattungsanlagen (Jalousien/Verschattungsjalousien) fachmännisch anzubringen. Die entstehenden Einbau- und eventuellen Folgekosten sollen die Wohnungseigentümer selbst tragen. Ebenso sollen sie die Haftung für eventuell auftretende Schäden und deren Beseitigung tragen, sofern diese nicht durch die Gebäudeversicherung abgedeckt sind. Das LG weist die Berufung zurück. Gegen dieses Urteil wendet sich Wohnungseigentümer K.
4 Die Entscheidung
Ohne Erfolg! Die Wohnungseigentümer hätten die Anbringung durch den Beschluss aus dem Jahr 2018 der Sache nach genehmigt. Zwar habe der Beschluss bei vordergründiger Betrachtung nur einen in die Zukunft gerichteten Inhalt. Den Wohnungseigentümern sei es jedoch erkennbar darum gegangen, im Hinblick auf die Anbringung von Verschattungsanlagen eine einheitliche Regelung für alle Wohnungseigentümer zu treffen. Eine Differenzierung zwischen den Wohnungseigentümern, die eine Verschattungsanlage bereits angebracht hatten, und den übrigen Wohnungseigentümer sei erkennbar nicht gewollt gewesen. Der Beschluss sei nicht nichtig, obwohl K ihm nicht zugestimmt habe. Zwar sei es vorstellbar, dass der Beschluss aus dem Jahr 2018 noch für ungültig erklärt werde, weil K ihm nicht zugestimmt und ihn auch angefochten habe. So liege es aber derzeit noch nicht. Die Nichtigkeit der Genehmigung folge auch nicht daraus, dass sie nur zusammen mit der in dem Beschluss enthaltenen Kostenregelung Bestand habe. Denn die Wohnungseigentümer hätten keine Änderung der Kostenverteilung beschlossen. Zwar hätten die Wohnungseigentümer die Gestattung der baulichen Veränderung (auch) an die Übernahme der Folgekosten geknüpft. § 16 Abs. 4 WEG erfasse solche Sachverhalte aber nicht. Sollten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer doch Folgekosten entstehen, weil beispielsweise im Rahmen der Wahrnehmung der Verkehrssicherungspflicht sofortiges Handeln geboten sei, dürfe dies nicht zulasten der Wohnungseigentümer gehen, die der baulichen Veränderung nur im Hinblick auf die Kostenregelung zugestimmt hatten. Diese Wohnungseigentümer seien entsprechend § 16 Abs. 6 WEG einem Wohnungseigentümer, der nicht zustimmt, gleichzustellen und deshalb zur Kostentragung nicht verpflichtet.
Hinweis
Die Entscheidung enthält 2 Aussagen. Die eine ist, dass ich mich nicht gegen eine bauliche Veränderung wehren kann, die durch einen Beschluss legitimiert ist. Diese Aussage ist absolut richtig und fast unstreitig! Die andere Aussage betritt hingegen absolutes Neuland. Denn der BGH schafft einen "Maßgabenbeschluss", der nichts mit § 16 Abs. 4 WEG zu tun haben soll. Die Maßgabe soll es sein, dass ein bauwilliger Wohnungseigentümer bauen darf – aber nur, wenn er die Kosten und die Folgekosten trägt. Dieses Denken ist meines Erachtens eine "Nebelkerze". Tatsächlich haben die Wohnungseigentümer einen Beschluss nach § 16 Abs. 4 WEG gefasst und es war zu fragen, ob dies geht, wenn er die Folgekosten erfasst. Um diese Frage zu umgehen, betreibt der WEG-Senat eine Art Begriffsjurisprudenz – zugunsten der Wohnungseigentümer! Denn der BGH zeigt begrifflich elegant auf, wie man einem Wohnungseigentümer die Folgekosten einer baulichen Veränderung auferlegen kann. Dies toppt er mit einer mehr als fragwürdigen Analogie zu § 16 Abs. 6 WEG. Auch dies für die Wohnungseigentümer und zur Erleichterung der Verwaltung, ist aber dogmatisch kaum haltbar.
Ausblick WEG-Reform
Die WEG-Reform ändert die Rechtslage! § 16 Abs. 4 WEG wird es nicht mehr geben. An seine Stelle sollen nach dem WEMoG gleich mehrere Bestimmungen treten, nämlich § 21 Abs. 1 bis Abs. 5. Diese sind sehr umstritten und lauten derzeit wie folgt:
"(1) Die Kosten einer b...