1 Leitsatz
Der Ausbau eines Spitzbodens, der im unselbstständigen Teileigentum steht zu Wohnzwecken kann nicht nach § 20 Abs. 1 WEG gestattet werden.
2 Normenkette
§ 20 Abs. 1 WEG
3 Das Problem
Die Wohnungseigentümer gestatten Wohnungseigentümer X, Eigentümer der WE Nr. 12, einen "Speicher", der in seinem Eigentum steht, zu Wohnzwecken auszubauen. Dagegen geht Wohnungseigentümer K vor. Er meint, ein Ausbau wäre eine "zweckbestimmungswidrige Nutzung", da es sich bei dem Speicher um ein unselbstständiges Teileigentum handele, dessen Nutzung zu Wohnzwecken nicht zulässig sei. § 20 Abs. 1 WEG umfasse nicht die Genehmigung einer unzulässigen Nutzung als Sondereigentum. Darüber hinaus handele es sich bei den Maßnahmen um eine grundlegende Umgestaltung. Zudem müssten gem. § 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG auch öffentlich-rechtliche Normen beachtet werden. Dies sei hier im Hinblick auf Brand- und Versicherungsschutz fraglich. Die Nutzung verstoße gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften. Ferner sei der Beschluss zu unbestimmt. Denn die wesentliche Grundlage für die Entscheidung habe nicht vorgelegen, da die Genehmigungsplanung und der Brandschutznachweis erst nach der Versammlung beantragt worden seien und die Statik erst vor Baubeginn vorgelegt werden solle. Auch was die Zahl und Gestaltung von Dachflächenfenstern und Gauben angehe, sei dies zum Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht bekannt gewesen.
4 Die Entscheidung
Die Klage hat Erfolg! Der Beschluss widerspreche den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung. Die WE Nr. 12 werde in der Teilungserklärung beschrieben als "Miteigentumsanteil zu 90,46/1.000stel, verbunden mit dem Sondereigentum an der im Dachgeschoss gelegenen, im Aufteilungsplan mit Nr. 12 bezeichneten Wohnung samt dem darüber liegenden Speicher bzw. Spitzboden." Der Speicher bzw. Spitzboden stelle daher ein unselbstständiges Teileigentum dar. Die Teilungserklärung enthalte nicht lediglich unverbindliche Nutzungsvorschläge, sondern eine "Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter". Räume im Spitzboden seien per definitionem Teileigentum, so wie auch ein Keller, sodass eine Nutzung zu Wohnzwecken nicht zulässig sei. Die Nutzung des Speichers bzw. Spitzbodens sei nur im Rahmen seiner Beschaffenheit zulässig, also nicht zu Wohnzwecken. Die genehmigten Baumaßnahmen ermöglichten eine Nutzung der Räume im Speicher bzw. Spitzboden als Wohnräume. Dies würde dazu führen, dass im Sondereigentum stehenden Räume, die nicht zu Wohnzwecken genutzt werden dürfen, künftig zu Wohnzwecken genutzt werden würden. Damit sei ein Eingriff in grundbuchrechtliche Zweckbestimmungen von Räumen und Flächen verbunden. Eine derartige Umwidmung sei von der Mehrheitsmacht i. S. v. § 20 Abs. 1 WEG nicht umfasst. Auch hätten wesentliche Entscheidungsgrundlagen für die Beschlussfassung gefehlt, beispielsweise die Genehmigungsplanung, der Brandschutznachweis und die Statik. Auf diese und weitere Argumente des K komme es jedoch entscheidungserheblich nicht an, da die Genehmigung schon eine Möglichkeit und Förderung der Wohnnutzung darstellen würde, die gegen die Zweckbestimmung verstößt, sodass die Maßnahmen unzulässig seien (Hinweis auf LG München I, Urteil v. 18.7.2013, 36 S 20429/12, ZWE 2014, 189).
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall geht es im Kern um die Frage, ob ein Beschluss nach § 20 Abs. 1 WEG, der gegen eine Vereinbarung verstößt, möglich ist.
Nutzungsvereinbarungen
Es wird die Auffassung vertreten, dass Nutzungsvereinbarungen Beschlüssen nach § 20 Abs. 1 WEG, welche diese tangieren, bereits auf Kompetenzebene entgegenstünden. Es wird aber auch jeglicher Bezug von Nutzungsvereinbarungen für Baubeschlüsse in Abrede gestellt (siehe nur LG Frankfurt a. M., Urteil v. 12.10.2023, 2-13 S 29/23). Die Antwort bei dieser Diskussion sollte, wie im Fall, "nein" lauten. Es besteht also keine Beschlusskompetenz! Hier ist aber die Entwicklung abzuwarten. Was in der Praxis gelten wird, muss der BGH entscheiden. Bis dahin sollten solche Gestattungen mit Samthandschuhen angefasst werden.
Was ist für die Verwaltungen besonders wichtig?
Ein Gestattungsbeschluss muss anders gefasst werden. Es muss unzweifelhaft klar sein, wer was wie wo bauen darf. Ein Gestattungsbeschluss sollte derzeit keinen Flächen gelten, für die ein anderer Gebrauch vereinbart ist. Ferner sollte die bauliche Veränderung von allen mitgebraucht werden können. Ist ein Mietvertrag gewollt, ist dieser zu beschließen – mit allen Details. Erfährt die Verwaltung, dass ein Wohnungseigentümer eine bauliche Veränderung unternommen hat, ist dieser abzumahnen. Ferner sind die anderen Wohnungseigentümer spätestens in der nächsten Versammlung über die bauliche Veränderung zu informieren. Dort kann dann die bauliche Veränderung gestattet werden. Alternativ ist der "Bauherr" unter Fristsetzung abzumahnen, den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen. Ferner ist zu bestimmen, was gelten soll, wenn die Frist fruchtlos verstreicht.
Muster
Ein Willensbildungs- und/oder Aufforderungsbeschluss kann beispielsweise wie folgt lauten:
Nach Auffassung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer...