Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 15 Abs. 3 WEG, § 22 Abs. 1 S. 1 WEG
Kommentar
1. Bei zwei benachbart gelegenen Doppelhaushälften als Sondereigentum beabsichtigte ein Eigentümer u.a. im Eingangsbereich seines Hauses nachträglich den Bau eines Windfangs/Wintergartens (aus Glas). In der Gemeinschaftsordnung war vereinbart, dass jeder Wohnungseigentümer seine Sondernutzungsfläche wie ein Alleineigentümer nutzen könne und die Zustimmung eines anderen Eigentümers zu baulichen Maßnahmen nur erforderlich sei, wenn sie auch bei einer durchgeführten Realteilung erforderlich wäre.
2. Ist durch Vereinbarung § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG wirksam abbedungen (wie hier), dann dürfen im Rahmen öffentlich-rechtlicher Zulässigkeit bauliche Veränderungen durchgeführt werden. Die Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Vorschriften obliegt in erster Linie den Verwaltungsbehörden; aber auch eine Privatperson kann ihre Einhaltung erzwingen; Voraussetzung ist allerdings, dass es sich um eine drittschützende Norm handelt (BayObLGZ 95, 392). Bei den Vorschriften über Abstandsflächen (Art. 6 der Bayerischen Bauordnung) handelt es sich um solche dritt-(nachbar-)schützenden Normen, deren Einhaltung auch von den übrigen Wohnungseigentümern verlangt werden kann. Auch wenn im vorliegenden Fall der Antragsgegnerseite für die Errichtung des Windfangs eine Baugenehmigung erteilt sei, habe diese gegenüber nicht am Verwaltungsverfahren beteiligten Antragstellern keine öffentlich-rechtlichen Wirkungen entfaltet, ebenso keine Bindung; die Antragsteller können deshalb auch die evtl. materielle Baurechtswidrigkeit der Baugenehmigung im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (selbst eines genehmigten Bauvorhabens) geltend machen. Soweit in der Entscheidung des BayObLG vom 10. 5. 1989 (WM 89, 451) in einem Fall wie hier die Prüfung der Abstandsflächen-Vorschriften lediglich unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs vorgenommen wurde, wird an dieser Einschränkung nicht (mehr) festgehalten. Ein umfassender Rechtsschutz des betroffenen Wohnungseigentümers wird nämlich nur gewährleistet, wenn er sich im FGG-Verfahren ohne Einschränkung auf solche drittschützenden Normen des öffentlichen Rechts berufen kann (Bundesverwaltungsgericht, NVwZ 90, 655; VGH Baden-Württemberg, BauR 96, 371).
3. Die Sache mußte deshalb an das Landgericht zurückverwiesen werden, da dort noch die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zu treffen seien, um beurteilen zu können, ob und inwieweit Art. 6 Bayerische Bauordnung der Baumaßnahme entgegenstehe; dabei sei auch noch zu prüfen, ob der Windfang/Wintergarten nach Art. 6 Abs. 3 Satz 7, Abs. 8 Bayerische Bauordnung zulässig sei.
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 12.09.1996, 2Z BR 52/96= NJW-RR 5/1997, 269)
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