Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Erstherstellungsmaßnahmen nach Bauplan stellen grundsätzlich keine baulichen Veränderungen dar
Ein Nachteil einer Veränderungsbaumaßnahme (hier: Grenzwand) kann dann verneint werden, wenn sie durch dichte Bepflanzung nicht sichtbar ist
Nachteils-Bejahung, wenn eine bauliche Veränderung gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt
Normenkette
§ 14 Nr. 1 WEG, § 22 Abs. 1 WEG
Kommentar
1. Nicht von einer baulichen Veränderung im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG ist auszugehen, wenn ein dem Aufteilungsplan oder den für die Erstherstellung maßgeblichen Bauplänen entsprechender Zustand erstmalig hergestellt wird (h.M.). Vorliegend wurde eine im Aufteilungsplan eingezeichnete Sichtbetonmauer nie erstellt. Die Antragsgegner errichteten demgegenüber eine hölzerne Sichtschutzwand. Hat ein Rechtsvorgänger der Antragsgegner auf die Errichtung der plangemäßen Sichtbetonmauer wirksam verzichtet, würde ein solcher Verzicht auch gegen die Antragsgegner wirken. Ein solcher Verzicht ist an keine Form gebunden und könnte auch stillschweigend erklärt werden; die bloße Duldung einer Abweichung vom Aufteilungsplan bei der Erstherstellung stellt allerdings grundsätzlich keinen Verzicht dar. Das LG (deshalb Zurückverweisung) wird noch zu ermitteln haben, ob ein solcher Verzicht vorliegt.
Ohne festzustellenden Verzicht wird das LG auch noch zu berücksichtigen haben, ob unter Berücksichtigung der vorhandenen Begrünung durch Kletterpflanzen die errichtete Holzkonstruktion mehr beeinträchtigt als die im Aufteilungsplan vorgesehene Sichtbetonmauer.
2. Wird der optische Gesamteindruck einer Wohnanlage durch eine Baumaßnahme verändert, kann ein Nachteil zu verneinen sein, wenn sie aufgrund einer dichten Bepflanzung nicht sichtbar ist. Das LG wird auch noch festzustellen haben, ob vorwiegend Laub abwerfende oder - wie die Antragsgegner nunmehr vortragen - immergrüne Pflanzen zur Abdeckung der errichteten Holzkonstruktion (Grenzwand) gesetzt worden sind.
3. Ein Nachteil wäre auch dann zu bejahen, wenn eine bauliche Veränderung gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt (BayObLG, WE 92, 54; vgl. auch BayObLG Z 1995, 392). Im vorliegenden Fall sei gegen einen Beseitigungsbescheid der zuständigen Behörde Widerspruch eingelegt worden. Auch diese Frage kann noch entscheidungserheblich sein.
4. Keine Kostenentscheidung in Dritter Instanz (- sie bleibt der Beschwerdeinstanz vorbehalten -) bei Geschäftswertansatz für das Rechtsbeschwerdeverfahren von DM 8.000,-.
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 24.06.1999, 2Z BR 48/99)
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