Leitsatz

  • Fristsetzung zur Mängelbeseitigung nach § 634 BGB ggf. entbehrlich

    Keine Fristsetzung für Mangelfolgeschadenersatz

 

Normenkette

§ 634 BGB, § 635 BGB

 

Kommentar

1. Die Aufforderung zur Mängelbeseitigung mit Fristsetzung ist entbehrlich, wenn sie eine nutzlose Förmlichkeit wäre. Das ist z. B. der Fall, wenn sich der Bauträger/Verkäufer unter Hinweis auf einen - unwirksamen - Gewährleistungsausschluss im Vertrag ernsthaft und endgültig weigert, die Mängel zu beseitigen.

2. Bei dem Ersatz eines Schadens, der neben dem schadenstiftenden Werk entstanden ist (z. B. beschädigter Teppichboden infolge Kellerfeuchtigkeit) bedarf es keiner Fristsetzung, weil deren Zweck, das mit Mängeln behaftete Werk in vertragsgemäßen Zustand zu versetzen, fehlt.

Zum entschiedenen Fall:

Ein Bauträger baute ein Ladenlokal in ein Wohnhaus um und veräußerte es "ohne Haftung für sichtbare oder unsichtbare Sachmängel, gleich welcher Art". Wenig später stellt der Erwerber fest, dass Kellerwände durchfeuchtet sind, in den Keller bei starkem Regen Wasser eindringt und das Flachdach infolge unzureichender Durchlüftung und deshalb anfallenden Kondenswassers schadhaft ist. Er verlangt für die Mängelbeseitigung DM 72.000,- und für den Ersatz der Schäden an den Teppichböden DM 8.000,-.

Bevor der Erwerber den Bauträger zur Mängelbeseitigung auffordert, lehnt dieser unter Hinweis auf den vertraglichen Haftungsausschluss die Gewährleistung endgültig ab.

In seiner Entscheidung qualifiziert der Bundesgerichtshof den Vertrag als Werkvertrag. Die Umbauarbeiten seien mit Neubauarbeiten vergleichbar, folglich habe für das gesamte Gebäude Werkvertragsrecht zu gelten.

Ferner sei der formelhafte Gewährleistungsausschluss unwirksam, mag es sich auch um einen individuellen Vertrag handeln. Etwas anderes gelte nur, wenn der Notar den Erwerber über die einschneidenden Rechtsfolgen der Freizeichnung aufgeklärt habe. Da dies nicht festgestellt sei, müsse man von der Unwirksamkeit ausgehen. Der Bauträger dürfe sich daher nicht auf diese Klausel berufen. Tue er dies dennoch und verweigere er ernsthaft und endgültig die Mängelbeseitigung, so wäre es eine nutzlose Förmlichkeit, wenn der Erwerber ihn dennoch zur Mängelbeseitigung auffordern müsste.

Etwas anderes gelte für die Schäden an Wandanstrich, Tapeten und verlegten Teppichböden. Hier bedürfe es von vornherein keiner Fristsetzung, weil deren Zweck fehle. Mit der Fristsetzung solle dem Auftragnehmer/Unternehmer eine letzte Gelegenheit eingeräumt werden, das noch mit Mängeln behaftete Werk in den vertragsgemäßen Zustand zu versetzen, ehe an deren Stelle die finanziell regelmäßig belastendere Gewährleistung trete. Da hier jedoch Anstrich, Tapeten und Teppichböden zunächst beanstandungsfrei waren, seien sie nicht Gegenstand der nötigen Nachbesserung.

 

Link zur Entscheidung

( BGH, Urteil vom 15.03.1990, VII ZR 311/88; BauR 90, 466 = NJW-RR 90, 786)

zu Gruppe 6: Baurechtliche und bautechnische Fragen; Baumängel

Anmerkung:

Während der erste Leitsatz nichts Neues enthält, ist der zweite bemerkenswert. Er besagt, dass es auch bei Mangelfolgeschäden an den eigenen Bauleistungen des Unternehmers keiner Beseitigungsaufforderung mit Fristsetzung bedarf. Der Auftraggeber kann sofort Schadensersatz verlangen. Von Bedeutung ist das für Bauträger, Generalüber- und -unternehmer. Deren Bauleistung erstreckt sich im Regelfall auf das gesamte Bauwerk. Feuchtigkeit im Keller kann zu Folgeschäden an den sonstigen - im Übrigen mangelfreien - Bauleistungen führen. Da diese Schäden unabhängig von der Mängelbeseitigung am Kelleraußenmauerwerk sind, gibt es insoweit weder eine Nachbesserungspflicht noch ein Nachbesserungsrecht des Unternehmers. Der Auftraggeber kann sogleich Schadensersatz in Geld verlangen. Er ist nicht einmal verpflichtet, den Betrag zur Schadensbeseitigung zu verlangen.

Wohlgemerkt: Für die Entbehrlichkeit der Mängelbeseitigungsaufforderung mit Fristsetzung kommt es nicht darauf an, ob es sich um einen sog. "näheren" ( § 635 BGB) oder um einen "entfernteren" Mangelfolgeschaden (positive Vertragsverletzung, pVV) handelt. Diese Unterscheidung ist bedeutsam für die Frage der Verjährung ( § 635 BGB: 5 Jahre; pVV: 30 Jahre) und für die Deckung der Haftpflichtversicherung ( § 635 BGB: keine Deckung; pVV: Deckung vorhanden).

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