Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Normenkette
§ 21 Abs. 2, 3, 4 WEG, § 26 Abs. 3 WEG
Kommentar
1. Als rechtliche Grundlage für eine Verpflichtung aller Wohnungseigentümer, festgestellte bautechnische Mängel an einem Balkon beseitigen zu lassen (hier: behauptete zu niedrige Aufkantungshöhe der Wandanschlüsse eines Balkons von mindestens 15 cm im Bereich der Tür- und Fensterelemente), kommt allein § 21 Abs. 4 WEG in Betracht. Zur ordnungsgemäßen erstmaligen Herstellung eines Bauwerks zählt auch die Beseitigung ursprünglicher Baumängel als Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung; es handelt sich insoweit um eine Angelegenheit, die nach § 21 Abs. 3 WEG der mehrheitlichen Beschlussfassung der Wohnungseigentümer in der Eigentümerversammlung unterliegt. Dabei ist das Rechtsverhältnis der Wohnungseigentümer untereinander zu trennen von schuldrechtlichen Gewährleistungsansprüchen aus dem Vertragsverhältnis zwischen Wohnungserwerbern und Veräußerer. Nach verfestigter Rechtsprechung des BGH ist zwar jeder Wohnungseigentümer befugt, aus dem schuldrechtlichen Erwerbsvertrag Gewährleistungsansprüche auf Nachbesserung sowie Kosten der Mängelbeseitigung einschl. eines Vorschusses auch wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum geltend zu machen. Er ist jedoch auch in diesem Fall nicht befugt, ohne Mitwirkung der übrigen Eigentümer Maßnahmen zur Mängelbeseitigung am Gemeinschaftseigentum vorzunehmen, sofern es sich nicht um den Fall einer Notverwaltung nach § 21 Abs. 2 WEG handelt (hier nicht gegeben); es verbleibt hier bei der gemeinschaftlichen Entscheidungsbefugnis der Wohnungseigentümer, welche Maßnahmen zu welchem Zeitpunkt im Einzelnen durchgeführt werden sollen.
Somit entscheidet auch die Gemeinschaft, ob ein bestimmter Mangel sofort aus Mitteln der Gemeinschaft behoben werden muss. Dabei ist im Rahmen des § 21 Abs. 4 WEG abzuwägen und ein objektiver Maßstab anzulegen, wie sich ein wirtschaftlich denkender, vernünftiger Alleineigentümer verhalten würde und müsste; gleichzeitig ist auch die Wirtschaftlichkeit einer begehrten Maßnahme zu berücksichtigen. Im vorliegenden Fall wurde ein aktueller Handlungsbedarf der Gemeinschaft, das Gemeinschaftseigentum vor weiteren Schäden zu schützen, aus tatsächlich-technischen Gründen verneint. Vorrang hat in jedem Fall die Willensbildung der Eigentümerversammlung, ggf. auch dahingehend, mit einer Sanierung noch abzuwarten (insbesondere dann, wenn weitere Schäden und Folgeschäden im Augenblick nicht auftreten bzw. umfangreichere Sanierungen in Erwägung zu ziehen sind).
2. Es ist rechtlich möglich und kann als Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung erforderlich sein, einen Sonderverwalter zu bestellen, wenn der Wohnungseigentumsverwalter für einzelne Angelegenheiten durch eine Interessenkollision an der sachgerechten Wahrnehmung seines Amtes gehindert ist. Nach Meinung des BayObLG (NJW-RR 89, 461) kann die Bestellung eines Verwalters durch gerichtliche Entscheidung nicht nur unter den Voraussetzungen des § 26 Abs. 3 WEG, sondern auch zur Verwirklichung des Anspruches eines Eigentümers auf eine ordnungsgemäße Verwaltung im Sinne des § 21 Abs. 4 WEG möglich sein. Aus diesem Grund kann auch für einzelne Aufgabenbereiche durch das Gericht ein Sonderverwalter bestellt werden; so kann z. B. auch einem Vormund die gesetzliche Vertretung für einzelne Angelegenheiten nach § 1796 Abs. 2 BGB entzogen und einem Ergänzungspfleger ( § 1909 BGB) zur Wahrnehmung übertragen werden; auch im Konkurs kann ein Sonderverwalter für einzelne Angelegenheiten bestellt werden, wenn der Konkursverwalter u. a. durch eine Interessenkollision an der sachgerechten Wahrnehmung seines Amtes verhindert ist. Aber auch in solchen Fällen hat die Entscheidung der Eigentümerversammlung den Vorrang gegenüber der Bestellung eines Sonderverwalters durch gerichtliche Entscheidung. Im vorliegenden Fall fehlte das erforderliche dringende sachliche Bedürfnis für die Bestellung eines Notverwalters (Sonderverwalters).
3. Keine außergerichtliche Kostenerstattung bei Geschäftswertansatz Amtsgericht DM 24.000,- und Beschwerdeinstanz DM 21.000,-.
Link zur Entscheidung
( OLG Hamm, Beschluss vom 29.12.1992, 15 W 233/92)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer