Entscheidungsstichwort (Thema)

Normenkontrollantrag (einstweilige Anordnung). Bebauungsplanentwurf („Schubladenbebauungsplan”). Vollzug des Bebauungsplanentwurfs über § 33 BauGB. Ungültigkeit der 7. Änderung des Bebauungsplans „Haag-West”. Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO

 

Leitsatz (amtlich)

§ 47 Abs. 6 VwGO ist auf einen beschlossenen, aber noch nicht bekanntgemachten Bebauungsplan weder direkt noch entsprechend anwendbar.

 

Normenkette

VwGO § 47 Abs. 6; BauGB § 33

 

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.

III. Der Streitwert wird auf 10.000,– DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Mit dem am 29. Oktober 1999 erhobenen Eilantrag begehren die Antragsteller, den am 4. Mai 1999 von dem Antragsgegner als Satzung beschlossenen, bisher aber noch nicht bekanntgemachten Bebauungsplan „Haag-West” – 7. Änderung – in entsprechender Anwendung von § 47 Abs. 6 VwGO vorläufig außer Vollzug zu setzen.

Durch die Änderung des Bebauungsplans soll in einem Gebiet, für das derzeit Flachdachbungalows mit Erdgeschoss und einem Obergeschoss festgesetzt sind, Satteldächer mit einem Kniestock festgesetzt werden. Unter Berufung auf § 33 BauGB hat das Landratsamt bereits eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Satteldaches mit einem Kniestock genehmigt.

Die Antragsteller sind Eigentümer des von dem Änderungsbebauungsplan betroffenen Grundstücks Fl.Nr. … Gemarkung Haag. Sie machen geltend, der beschlossene, aber noch nicht bekanntgemachte Bebauungsplan sei wegen Verstoßes gegen das Abwägungsgebot nichtig, weil wegen der geringen Grundstücksgrößen von etwa 300 m² und der dadurch bedingten dichten Bebauung bei einer Erhöhung der Flachdachhäuser um ein Satteldach zu erwarten ist, dass die Zufuhr von Licht, Luft und Sonne so deutlich verringert wird, dass der Eindruck eines „Gefängnishofes” erzeugt werde. Da der noch nicht bekanntgemachte Bebauungsplan über § 33 BauGB faktisch vollzogen werde, sei es zur Schließung einer Rechtsschutzlücke geboten, den Bebauungsplan in entsprechender Anwendung von § 47 Abs. 6 VwGO vorläufig außer Vollzug zu setzen. Der Individualrechtsschutz gegen erteilte Baugenehmigungen reiche nicht aus, weil er nur bei Baugenehmigungen für unmittelbar benachbarte Grundstücke eingreife.

Der Antragsgegner hält den Antrag für unzulässig, da die beschlossene 7. Änderung des Bebauungsplans noch keine verbindliche Rechtsnorm darstelle. Es sei in Fällen, in denen – wie hier – Nachbarstreitigkeiten vorprogrammiert seien, gängige Praxis, einen Bebauungsplan oder eine Bebauungsplanänderung nicht rechtskräftig zu machen, um über § 33 BauGB in einem Baugenehmigungsverfahren zu erreichen, dass die künftigen Festsetzungen des Bebauungsplans korrekt eingehalten werden und um nachbarliche Probleme von vornherein zu vermeiden oder von der Baugenehmigungsbehörde würdigen zu lassen. Im Übrigen sei die geplante Änderung städtebaulich sinnvoll. Auch im angrenzenden Bereich seien bereits Satteldächer mit Kniestock zugelassen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Der Antrag hat keinen Erfolg. Er ist bereits unzulässig, weil unstatthaft. Bei beschlossenen, aber noch nicht bekanntgemachten Bebauungsplänen ist ein Eilantrag in entsprechender Anwendung von § 47 Abs. 6 VwGO nicht gegeben.

Nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO entscheidet der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag über die Gültigkeit von Bebauungsplänen. Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Beide Bestimmungen setzen voraus, dass der Bebauungsplan existent ist, also gemäß § 10 Abs. 3 BauGB bekanntgemacht worden ist (BVerwG vom 2.6.1992 NVwZ 1992, 1088; OVG Bautzen vom 22.11.1998 NJW 1998, 527; BayVGH vom 9.8.1985 BayVBl 1986, 497 und vom 30.7.1999 – 26 NE 99.2007 m.w.N.). Dies erkennen auch die Antragsteller an.

Die Antragsteller meinen aber, dass in den Fällen, in denen der Bebauungsplanentwurf über § 33 BauGB faktisch vollzogen wird, zur Schließung einer Rechtsschutzlücke § 47 Abs. 1 Nr. 1 und § 47 Abs. 6 VwGO entsprechend heranzuziehen seien. Diese Auffassung, die von Jäde (Prinzipale Normenkontrolle planreifer Bebauungspläne, BayVBl 1985, 225) und Uechtritz (BauR 1999, 572/587) geteilt wird, geht jedoch fehl. Eine planwidrige Regelungslücke, die durch eine entsprechende Anwendung der vorgenannten Bestimmungen geschlossen werden müsste, liegt nicht vor.

Der Gesetzgeber hat die Normenkontrolle des § 47 Abs. 1 VwGO nur für bereits bekanntgemachte Rechtsnormen geschaffen. Er wollte diese nicht auf noch nicht bekanntgemachte Rechtsnormen erstrecken. Dies ergibt sich daraus, dass nach § 47 Abs. 1 VwGO über die „Gültigkeit” der dort bezeichneten Rechtsvorschriften zu entscheiden ist. Geltung beanspruchen aber nur existente, d.h. bekanntgemachte Rechtsvorschriften. Entwürfe von Rechtsvorschriften fallen nicht hierunter. Auch die nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO für den Normenkontrollantrag einzuhaltende Zwei-Jahres-Frist knüpft an die Be...

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