Entscheidungsstichwort (Thema)
Abschlußprüfung. Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 23. Juli 1973
Verfahrensgang
VG Regensburg (Urteil vom 23.07.1973; Aktenzeichen R/O 57 V 73) |
Tenor
I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist in Ziff. II vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die am 4.4.1953 geborene Klägerin unterzog sich am 12.12.1972/17.1.1973 der Abschlußprüfung für das Hotel- und Gaststättengewerbe im Ausbildungsberuf Koch. Der bei der Beklagten errichtete Prüfungsausschuß II für Köche – bestehend aus je zwei Vertretern der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer sowie einem Lehrer an einer berufsbildenden Schule – führte die Prüfung in den Prüfungsteilen Fertigkeits- und Kenntnisprüfung durch. Er bewertete die Kenntnisse der Klägerin mit der Note 3,2 (= befriedigend), die Fertigkeiten jedoch nur mit 4,7 (= nicht ausreichend). Mit Bescheid vom 26.1.1973 eröffnete die Beklagte dem Vater der Klägerin sowie der Klägerin selbst, daß sie wegen nicht ausreichender Leistungen in einem Prüfungsteil die Abschlußprüfung nicht bestanden habe.
Mit Schreiben vom 7.2.1973 erhob der Vater der Klägerin Widerspruch. Er machte geltend, die Zubereitung eines Hasenrückens, die von seiner Tochter in der Prüfung verlangt worden sei, eigne sich nicht, Auskunft über Berufskenntnisse auf breiter Basis zu geben. Die Klägerin sei von den Prüfern beanstandet, behindert und kritisiert worden. Diese negativen Einflüsse hätten ihre Nervosität so weit gesteigert, daß sie am Schluß nicht mehr gewußt habe, was sie habe tun sollen, daß sie die Sauce nicht mehr habe abschmecken können und die Nachspeise nicht mehr zubereitet habe. Es wäre viel richtiger gewesen, abzuwarten, bis das Gericht fertig gewesen sei und dieses dann zu beurteilen. Im übrigen habe sich der Arbeitsplatz der Klägerin abseits der anderen befunden, weshalb sie nach Löffeln, Gabeln, Töpfen und Gewürzen jeweils habe fragen müssen. Zu der Bratröhre habe sie keine passende Pfanne gehabt.
Mit Bescheid vom 13.3.1973 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie führte aus: Die Zubereitung von Wild sei in der Ausbildungsordnung vorgesehen. Von der Gesamtpunktzahl von 100 für die Fertigkeitsprüfung entfielen 20 auf die Vorbereitung, 50 auf die Zubereitung und nur 30 auf das fertige Gericht. Außerdem sei nach Nr. 1 c der Prüfungsanforderungen für den Lehrberuf Koch vom 23.10.1950 besonderes Augenmerk darauf zu richten, ob der Prüfling in der Lage sei, selbständig, sorgfältig, hygienisch einwandfrei und wirtschaftlich zu arbeiten. Die Klägerin habe die gleichen Arbeitsmittel wie die übrigen Prüflinge gehabt. Sie sei wie diese über das Auffinden der Geräte belehrt und darauf hingewiesen worden, daß die drei Spülfrauen weitere Auskünfte gäben. Die Prüfer dürften sich durch geeignete Fragen während der Prüfung über Kenntnisse des Prüflings informieren. Die Klägerin habe Fehler beim Parieren und Ansetzen des Fleisches, beim Kochen der Nudeln und Zubereiten des Gemüses und Salates gemacht. Das Mis en place sei dürftig, der Arbeitsplatz unsauber gewesen.
Am 13.4.1973 erhob der Vater der Klägerin in deren Namen Klage, die die Mutter mit Schriftsatz vom 23.5.1973 billigte. Er beantragte, die Beklagte unter Aufhebung des Erst- und des Widerspruchsbescheids zu verpflichten, die Klägerin nach der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden. Zur Begründung nahm er Bezug auf seine Ausführungen im Widerspruchsverfahren, die er wie folgt ergänzte: Die Klägerin habe nur zwei Herdplatten zur Verfügung gehabt; die übrigen Platten seien von anderen Prüflingen mitbenutzt worden. Die beim Parieren anfallende Haut sei wegzuwerfen, weil sie oft nicht mehr einwandfrei sei. Wild dürfe auch mit einem schmalen Messer gespickt werden. Nudeln selbst zu machen, sei nicht üblich. Die Klägerin habe die Nudeln gesalzen und ihren Arbeitsplatz gesäubert.
Die Beklagte beantragte Klageabweisung. Sie bot Beweis durch Vernehmung ihres Mitarbeiters Leopold P. dafür an, daß der Klägerin die gleichen Bedingungen wie den übrigen Prüflingen eingeräumt worden seien. Sie gab zu, daß der Vorsitzende des Prüfungsausschusses Hans P. die Prüfung gegen 17 Uhr verlassen und nur die bis dahin erbrachten Prüfungsleistungen bewertet habe.
Mit Urteil vom 23.7.1973 verpflichtete das Verwaltungsgericht die Beklagte unter Aufhebung des Erst- und des Widerspruchsbescheids, die Klägerin nach der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden. Nach seiner Meinung beruht die Prüfungsentscheidung auf einem Verfahrensfehler. Die auf §§ 34 ff. des Berufsbildungsgesetzes zurückgehende Prüfungsordnung habe Rechtssatzcharakter. Nach ihrem § 16 Abs. 1 werde die Prüfung unter Leitung des Vorsitzenden vom gesamten Prüfungsausschuß abgenommen. Der Prüfungsausschuß bestehe nach § 37 des Berufsbildungsgesetzes und § 2 der Prüfungsordnung aus mindestens drei Mitgliedern. Der Prüfungsausschuß II für Köche bei der Beklagten sei mi...