Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiederaufgreifen eines Prüfungsverfahrens. Unmöglichkeit einer Neubewertung mangels Beurteilungsgrundlage. Verbrauch von Wiederholungsmöglichkeiten
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Aussage darüber, wie eine Aufgabe einer praktischen (Wiederholungs-)Prüfung (hier: Staatliche Krankenpflegeprüfung) bei ordnungsgemäßem Prüfungsablauf bewertet worden wäre, ist nicht möglich, wenn einer der an der Prüfungsentscheidung mitwirkenden Fachprüfer die Prüfungsleistung überhaupt nicht wahrgenommen hat.
2. Ein Mangel einer Prüfung, der darin besteht, dass einer der Prüfer eine bestimmte Prüfungsleistung überhaupt nicht wahrgenommen hat, lässt sich nicht dadurch beheben, dass die betreffende Aufgabe bei der Bildung der Gesamtnote einfach ausgeklammert wird, da dies auf eine Neubewertung unter nachträglicher Veränderung der Prüfungsanforderungen hinausliefe.
3. Ist dem Prüfling wegen eines Verfahrensfehlers bei der ersten (Wiederholungs-)Prüfung eine weitere Prüfungsmöglichkeit zugestanden worden und hat er auch diese – zweite – Wiederholungsprüfung nicht bestanden, so kann er einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens betreffend die Beurteilung der ersten Wiederholungsprüfung nicht erfolgreich mit der Begründung geltend machen, inzwischen habe sich herausgestellt, dass das Verfahren betreffend diese erste Prüfung an weiteren Mängeln gelitten habe.
4. Mehrere Verfahrensfehler in einem Prüfungsverfahren begründen keinen Anspruch auf eine der Zahl der Fehler entsprechende Anzahl an Wiederholungsmöglichkeiten.
5. Ein weiterer Prüfungsversuch kann nicht erfolgreich mit der Begründung beansprucht werden, die zugestandene zweite Wiederholungsprüfung sei rechtswidrig gewesen, weil sie in der Prüfungsordnung nicht vorgesehen sei und im Zeitpunkt ihrer Ablegung die Fehlerhaftigkeit der ersten Prüfung noch nicht festgestanden habe (im Anschluss an BVerwG, Beschluss vom 23.3.1981 – 7 B 39/81, 7 B 41/81 –).
6. Scheidet ein Anspruch auf Neubewertung der in einer praktischen Wiederholungsprüfung erbrachten Prüfungsleistungen mangels Beurteilungsgrundlage aus und ist der sich als Folge der Fehlerhaftigkeit der damaligen Wiederholungsprüfung anzuerkennende Anspruch auf Einräumung einer weiteren Prüfungsmöglichkeit durch erfolglose Teilnahme an einer zugebilligten – zweiten – Wiederholungsprüfung verbraucht, so besteht kein Sachentscheidungsinteresse an der isolierten Aufhebung der rechtswidrigen Entscheidung über die erste Wiederholungsprüfung auf der Grundlage von § 48 VwVfG SL, da sie den Prüfling seinem Rechtsschutzziel, ein positives Prüfungsergebnis als Voraussetzung für die angestrebte Berufsausübung zu erreichen, nicht näher brächte.
Normenkette
VwVfG SL § 48; SVwVfG § 51
Verfahrensgang
VG des Saarlandes (Urteil vom 16.11.2006; Aktenzeichen 1 K 90/05) |
Tenor
Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. November 2006 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes – 1 K 90/05 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird für das Berufungszulassungsverfahren auf 15.000,– Euro festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Klägerin unterzog sich nach dreijähriger Krankenpflegeausbildung erstmalig in der Zeit von Ende August 1999 bis Ende September 1999 der staatlichen Krankenpflegeprüfung. Nachdem sie hierbei im praktischen Prüfungsteil die Note „mangelhaft” erzielt hatte und die Prüfung daraufhin mit Bescheid vom 27.10.1999 für nicht bestanden erklärt worden war, wiederholte sie die praktische Prüfung am 22. und 23.3.2000. Zu den ihr bei dieser Wiederholungsprüfung gestellten Aufgaben gehörte unter anderem (Aufgabe 2) die pflegerische Versorgung einer Patientin, die auch das Duschen umfasste. Zu dieser Aufgabe ist in dem von dem Fachprüfer A. unterzeichneten Prüfungsprotokoll vermerkt:
„Duschwasser war für die Patientin zu heiß – „gefährliche Pflege”, Patientin wurde falsch gewogen, Hygiene unzureichend beachtet.”
Der Duschvorgang war allein von der Fachprüferin K.-S. beobachtet worden; der Fachprüfer A. hatte von einer Teilnahme an diesem Prüfungsteil Abstand genommen, um die Intimsphäre der Patientin zu wahren. In dem Prüfungsprotokoll, in dem auch die anderen Prüfungsleistungen der Klägerin beurteilt wurden, heißt es zusammenfassend, das Prüfungskollegium beurteile die Leistungen der Klägerin als „mangelhaft”. Die Klägerin sei nicht in der Lage, theoretisch erlerntes Wissen in die Praxis umzusetzen. Einfachste Zusammenhänge würden nicht erkannt. Trotz intensivster Bemühungen aller an der Ausbildung Beteiligten habe die Klägerin ihre Leistungen in dem zurückliegenden Halbjahr nicht verbessern können. In einer weiteren formblattmäßigen Niederschrift werden die praktischen Prüfungsleistungen der Klägerin von dem Prüfer A. mit 4 und von der Prüferin K.-S. mit 4,5 beurteilt. Außerdem ist auf dem Blatt der rechnerische Notendurchschnitt mit (8,5: 2 =) 4,25 gebildet und seitens der Vorsitzenden des Prüfungsausschusses B...