Entscheidungsstichwort (Thema)
Normenkontrolle gegen Bebauungsplan. Antragsbefugnis. Verwirkung des Antragsrechts (verneint). Ausschluss der Wohnnutzung in einem Teil eines Mischgebiets. Wahrung des Gebietscharakters (bejaht). Höchstzulässige Zahl der Wohnungen je Parzelle. Teilunwirksamkeit. Ungültigkeit des Bebauungsplans „…”
Leitsatz (amtlich)
1. Die Gliederung eines 0,3 ha großen Mischgebiets durch Ausschluss der Wohnnutzung in etwa einem Fünftel des Gebiets wahrt die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets.
2. Die Festsetzung der höchstzulässigen Zahl der Wohnungen „je Parzelle” ist nicht durch § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB gedeckt; sie ist unwirksam.
Normenkette
BauGB 1986 § 9 Abs. 1 Nr. 6; BauNVO 1977 § 1 Abs. 5, § 6; VwGO § 47 Abs. 2 S. 1, Abs. 5 S. 5
Tenor
I.
Die Festsetzung unter C) 1. a) Satz 2 des Bebauungsplans „…” der Gemeinde S. vom 1. März 1988:
„Je Parzelle werden max. 2 Wohneinheiten zugelassen.”, ist bis zur Behebung der Mängel nicht wirksam.
- Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt zwei Drittel, die Antragsgegnerin trägt ein Drittel der Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Antragsteller ist Miteigentümer des mit mehreren Gebäuden bebauten Grundstücks FlNr. 840 der Gemarkung S.. Er nutzt allein das im nördlichen Drittel befindliche Anwesen S. und möchte in dem als Lager eingerichteten Gebäude zusätzlich eine Wohnung unterbringen. Das Grundstück liegt mit dem nordöstlich angrenzenden Grundstück FlNr. 840/7 und dem hieran südlich angrenzenden Grundstück FlNr. 840/8 im Geltungsbereich des am 1. März 1988 beschlossenen, am 26. April 1988 genehmigten und am 20. Juli 1988 bekannt gemachten Bebauungsplans „…” der Antragsgegnerin. Der Bebauungsplan weist das Grundstück FlNr. 840/7 als „Gewerbegebiet mit Nutzungsbeschränkung” (GE/e), die beiden insgesamt etwa 0,3 ha großen Grundstücke FlNrn. 840 und 840/8 als „Mischgebiet” (MI) aus. Für das Grundstück FlNr. 840 sind als „Vorschlag für Form und Situierung der neuen Baukörper” im Norden ein in sich verschränkter Baukörper, im Süden zwei aneinandergrenzende Baukörper dargestellt; beide Baugruppen sind durch einen schmalen Baukörper miteinander verbunden. Der Baukörper im Norden des Grundstücks trägt ein „G”, das unter der Zeichenerklärung für die Festsetzungen als „gewerblich genutzte Bauteile” beschrieben ist. Nach Nr. 1. a) Satz 2 der textlichen Festsetzungen (C) werden je Parzelle höchstens zwei Wohneinheiten zugelassen.
Mit seinem am 16. Dezember 1998 erhobenen Normenkontrollantrag macht der Antragsteller geltend, der Bebauungsplan sei nichtig. Der Bebauungsplan leide an formellen Fehlern. Der ursprüngliche Entwurf sei nach der Auslegung in der Zeit vom 14. Juli 1986 bis 21. August 1986 geändert und deshalb vom 11. Dezember 1987 bis 22. Januar 1988 nochmals ausgelegt worden. Hierauf sei im Bebauungsplan jedoch nicht hingewiesen. Es sei nicht nachgewiesen, dass der am 1. März 1988 beschlossene Bebauungsplan dem zuletzt ausgelegten Entwurf entspreche. Der Bebauungsplan sei jedenfalls teilnichtig. Die „gewerblich genutzten Bauteile” seien mit dem Zeichen „G” nur durch zeichnerische, nicht zusätzlich durch textliche Festsetzungen ausgewiesen und auch nicht in der Begründung erwähnt worden; deshalb sei der Bebauungsplan in sich widersprüchlich. Im Übrigen gebe es für die Festsetzung mit dem Zeichen „G” und für die Beschränkung der Wohneinheiten keine Ermächtigungsgrundlage. Wegen der Einzelheiten der Antragsbegründung wird auf die Schriftsätze vom 14. Dezember 1998, 4. Februar 1999 und 27. Dezember 1999 Bezug genommen.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß, zu erkennen:
Der Bebauungsplan „…” der Gemeinde S. ist nichtig.
Er ist jedenfalls insoweit nichtig,
- als er in seinem Planteil einzelne Gebäudeteile durch zeichnerische Darstellung als gewerblich genutzte Bauteile bezeichnet, und
- als er die Zahl der Wohneinheiten je Parzellen auf zwei beschränkt.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzulehnen.
Der Normenkontrollantrag sei schon unzulässig, weil das Antragsrecht verwirkt sei. Der Antragsteller habe nämlich zunächst die ihm günstigen Festsetzungen des Bebauungsplans ausgenutzt und sich erst dann gegen die ihm ungünstigen Festsetzungen gewendet. Unabhängig davon sei der Antrag auch unbegründet. Die Rüge zur zweiten Auslegung sei unbeachtlich, da sie erst nach Ablauf der Jahresfrist des § 215 Abs. 1 Nr. 1 BauGB erhoben worden sei. Die Gliederung des Mischgebiets beruhe auf § 1 Abs. 4 BauNVO. Die Beschränkung der Zahl der Wohneinheiten habe ihre Rechtsgrundlage in § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB.
Die Landesanwaltschaft hält die Rügen des Antragstellers für nicht stichhaltig.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Der Normenkontrollantrag, über den gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte, hat teilweise Erfolg.
Der Antrag ist zulässig. Der ...