Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Terminsgebühr. Berücksichtigung von Wartezeiten. Bestimmung der billigen Gebühr. Toleranzgrenze
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Terminsgebühr sind Tätigkeiten und auch Wartezeiten des Rechtsanwalts im Zeitraum zwischen dem in der Ladung mitgeteilten Terminsbeginn und dem tatsächlichen Aufruf der Sache zu berücksichtigen. Erforderlich ist ein enger zeitlicher, örtlicher und verfahrenstechnischer Zusammenhang mit der Verhandlung, der es nicht opportun erscheinen lässt, die Tätigkeiten bzw die Wartezeit davor auszublenden. Eine Berücksichtigung bei der Verfahrensgebühr erfolgt nicht.
2. Zur Anerkennung des 20% Toleranzbereichs bei der Bestimmung der billigen Gebühr anhand der Kriterien von § 14 Abs 1 RVG.
Normenkette
RVG § 14 Abs. 1, § 3 Abs. 1 S. 1; BGB § 315 Abs. 3
Tenor
Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 15. September 2014 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Gegenstand des Verfahrens ist die Höhe des Rechtsanwaltshonorars nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), das der Beschwerdegegnerin nach Beiordnung im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) aus der Staatskasse zusteht. Streitig ist die Höhe der Termins-, der Verfahrens- und der Erledigungsgebühr.
Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Landshut (SG), Aktenzeichen S 11 AS 878/12, ging es um Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) durch den Beklagten, insbesondere um die Höhe der Kosten der Unterkunft und Heizung sowie die Gewährung des Alleinerziehendenzuschlags für einen der Kläger. Am 18.12.2012 erhoben diese über ihre Bevollmächtigte, die Beschwerdegegnerin, Klage. Am 19.12.2013 wurde vom SG für die mündliche Verhandlung am 28.01.2014 um 10.30 Uhr (um-)geladen (Sitzungsort: Sozialgericht Regenburg). Ausweislich der Sitzungsniederschrift begann die mündliche Verhandlung jedoch nicht zu der terminierten Zeit, sondern erst um 11:40 Uhr; sie endete um 12:30 Uhr.
Am 22.01.2014 beantragten die Kläger die Gewährung von PKH. Diesem Antrag wurde mit Beschluss in der mündlichen Verhandlung am 28.01.2014 entsprochen; die Beschwerdegegnerin wurde ab 23.01.2014 beigeordnet. Das Verfahren wurde in dem Termin durch einen Vergleich abgeschlossen.
Mit Schreiben vom 31.03.2014 machte die Beschwerdegegnerin Kosten in Höhe von 1.068,08 EUR geltend. Die Verfahrensgebühr und die Einigungsgebühr, so die Beschwerdegegnerin, seien geringfügig erhöht worden aufgrund der schwierigen Rechtsmaterie. Zudem sei es vorliegend sehr schwierig gewesen, den Vergleich mit der Gegenseite abzuschließen, weshalb der Termin auch länger gedauert habe. Der Termin habe erst um 11.40 Uhr begonnen und erst um 12.30 Uhr geendet. Der Beschwerdeführer äußerte sich mit Schriftsatz vom 09.04.2014 hierzu ausführlich und erhob Einwendungen. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 29.04.2014 wurden die außergerichtlichen Kosten schließlich in Höhe von 1.020,48 EUR festgesetzt. Dabei berücksichtigte der Kostenbeamte die Terminsgebühr nicht, wie von der Beschwerdegegnerin beantragt, in Höhe von 320,00 EUR, sondern lediglich in Höhe von 280,00 EUR.
Der Festsetzung lag folgende Berechnung zugrunde:
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Verfahrensgebühr §§ 3, 14 i.V.m. der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG - VV Nr. 3103 |
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200,00 EUR |
Erhöhungstatbestand für mehrere Auftraggeber §§ 3, 14 i.V.m. der Anlage zu § 2 Abs. 2 RVG - VV Nr. 1008 |
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110,00 EUR |
Terminsgebühr §§ 3, 14 i.V.m. der Anlage zu § 2 Abs. 2 RVG - VV Nr. 3106 |
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280,00 EUR |
Einigungsgebühr §§ 3, 14 i.V.m. der Anlage zu § 2 Abs. 2 RVG - VV Nr. 1006 |
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228,00 EUR |
Auslagenpauschale - VV Nr. 7002 |
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20,00 EUR |
Reisekosten - VV Nr. 7003 Fahrtauslagen zum Termin am 28.01.2014 km á 0,30 EUR (Hin- und Rückfahrt) |
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10,80 EUR |
Tage- und Abwesenheitsgeld - VV Nr. 7005 am 28.01.2014 |
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8,75 EUR |
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857,55 EUR |
19 % Mehrwertsteuer - VV Nr. 7008 |
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162,93 EUR |
Insgesamt: |
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1.020,48 EUR |
Hiergegen hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 07.05.2014 Erinnerung eingelegt. Er hat sich gegen die Höhe der Festsetzung der Verfahrens-, Termins- und Einigungsgebühr gewandt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, dass entgegen den Ausführungen der Beschwerdegegnerin die Wartezeit von 50 Minuten vor der Verhandlung bei der Höhe der Terminsgebühr nicht zu berücksichtigen sei. Wie sich aus der Rechtsprechung des Senats ergebe, seien Handlungen, die der Vor- und Nachbereitung eines Termins dienen würden, von Ausnahmen abgesehen, über die Verfahrensgebühr abgegolten. Dass Wartezeiten vor Terminen durchaus üblich und bereits bei der Höhe der Terminsgebühr berücksichtigt seien, ergebe sich zwanglos daraus, dass der Gesetzgeber in Nr. 3106 VV RVG keinen mittleren Stundenvergütungssatz für Rechtsanwälte in Höhe von 400,00 EUR festschreiben gewollt habe. Denn dieser ergäbe sich, wenn man Wartezeiten und Zeiten der An- und Abfahrt hinzurechnen würde. Vom Grundsatz her sei die Terminsgebühr an der im Protokoll vermerkten Nettoanwesenheitszeit bei der Ve...