Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren: Beschwerde gegen eine Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung. Wiedereinsetzung einer anwaltlich vertretenen Partei in die Rechtsmittelfrist
Leitsatz (amtlich)
Eine im Hauptsacheverfahren anwaltlich vertretene Partei kann darauf vertrauen, dass Zustellungen von Entscheidungen, die den Fortbestand der Prozesskostenhilfe betreffen, an ihren Anwalt erfolgen. Lässt der Anwalt die Rechtsmittelfrist gegen den PKH Aufhebungsbeschluss verstreichen, kann der Partei für ein eigenes Rechtsmittel Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand in die versäumte Rechtsmittelfrist bewilligt werden.
Tenor
I. Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 24.10.2013 aufgehoben.
II. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Mit Beschluss vom 28.04.2011 bewilligte dass Sozialgericht Würzburg dem Kläger Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungen für das Klageverfahren S 6 R 197/09 und ordnete Rechtsanwalt M. F., A-Stadt, bei. Durch Vergleich im Termin zur mündlichen Verhandlung am 31.05.2011 fand das Klageverfahren seine Erledigung.
Zur Nachprüfung der Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe wurde der im Klageverfahren beigeordnete Rechtsanwalt mit gerichtlichen Schreiben vom 06.12.2011 und 09.01.2012 um Mitteilung gebeten, ob sich die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers geändert haben. Mit Schreiben vom 09.02.2012 hörte das Sozialgericht den beigeordneten Rechtsanwalt zur beabsichtigten Aufhebung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe an. Eine Beantwortung der gerichtlichen Schreiben erfolgte nicht.
Das Sozialgericht hob mit Beschluss vom 24.10.2013 den Beschluss vom 28.04.2011 auf. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 73a Abs 1 S 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 124 Nr 2 Zivilprozessordnung (ZPO) seien erfüllt. Erhebliche Belange, die im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung einer Aufhebung entgegenstehen, seien weder vorgetragen noch ersichtlich.
Der Beschluss vom 24.10.2013 wurde dem im Klageverfahren beigeordneten Rechtsanwalt am 11.11.2013 zugestellt. Mit Schreiben vom 21.11.2012 übersandte das Sozialgericht dem Beigeordneten die an den Kläger gerichtete Kostenrechnung vom 21.11.2013. Die Forderung wurde wie folgt bezeichnet: " ...mit Beschluss vom 24.10.2013 wurde die Ihnen bewilligte Prozesskostenhilfe aufgehoben. Somit muss der von der Staatskasse im Rahmen der außergerichtlichen Kosten verauslagte Betrag nun von Ihnen eingefordert werden" (385,56 EUR).
Am 12.12.2013 hat der anwaltliche Betreuer des Klägers Beschwerde gegen den Beschluss vom 24.10.2013 zum Bayer. Landessozialgericht erhoben und die Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist sowie die Aufhebung des Beschlusses beantragt. Der Betreuer hat ausgeführt, der Kläger halte sich seit etwa 4 Wochen in der Türkei auf, weil dort Familienangelegenheiten zu regeln seien. Die Ehefrau des Klägers habe ihm die Kostenrechnung vom 21.11.2013 am 06.12.2013 vorgelegt, jedoch ohne den zugrunde liegenden Aufhebungsbeschluss vom 24.10.2013. Auf Nachfrage vom 06.12.2013 habe der beigeordnete Rechtsanwalt den Beschluss vom 24.10.2013 an den Betreuer weitergeleitet, allerdings erst mit Faxschreiben vom 11.12.2013. Der Betreuer sei daran gehindert gewesen, die ihm zuvor nicht bekannte Beschwerdefrist zu wahren, da er am 11.12.2013 einen Termin beim Verwaltungsgerichtshof München wahrzunehmen gehabt habe.
Unter dem 30.12.2013 hat der Betreuer eine aktuelle Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers übersandt.
Die Beklagte beantragt, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.
Auf Nachfrage des Senats hat sie am 02.04.2014 die für den beigeordneten Rechtsanwalt im Verwaltungsverfahren ausgestellte Vollmacht vom 14.07.2008 übersandt.
Zur Ergänzung wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Die Beschwerdemöglichkeit ist nicht nach § 172 Abs 3 Nr 2 Buchst a SGG in der ab dem 25.10.2013 geltenden Fassung und auch nicht nach der bis zum 24.10.2013 geltenden Fassung des § 172 Abs 3 Nr 2 SGG ausgeschlossen. Denn dieser Beschwerdeausschluss umfasst nicht eine Aufhebungsentscheidung nach § 124 Nr 2 ZPO in der hier anzuwenden und bis zum 31.12.2013 geltenden Fassung, wonach das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben konnte, wenn die Partei eine Erklärung nach § 120 Abs 4 S 2 ZPO nicht abgegeben hat (vgl. zuletzt Sächsisches LSG Beschluss vom 20.02.2014 - L 3 AL 159/13 B PKH - juris).
Allerdings ist die Beschwerde erst nach Ablauf der Monatsfrist des § 173 S 1 SGG eingelegt worden. Die Monatsfrist lief gem. § 64 SGG bis zum 11.12.2013 und war am 12.12.2013, dem Tag der Einlegung der Beschwerde abgelaufen. Der angefochtene Beschluss ist ausweislich des Empfangsbekenntnisses vom 11.11.2013 an diesem Tag dem im Klageverfahren beiordneten Rechtsanwalt zugestellt worden (§ 63 Abs 2 ...