Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenversicherung. Befreiung von der Versicherungspflicht als Selbständiger mit nur einem Auftraggeber. Beitragsnachforderung wegen Scheinselbstständigkeit. Versicherungspflicht. Masseure. freie Mitarbeit. Inhalt der Betriebsprüfung nach § 28p SGB 4
Leitsatz (amtlich)
Die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht als Selbständiger mit nur einem Auftraggeber nach § 2 S 1 Nr 9 SGB 6, § 6 Abs 1a S 1 Nr 1 SGB 6 kann die Beitragsnachforderung wegen Scheinselbstständigkeit dieser Tätigkeit hindern.
Orientierungssatz
1. Zur Versicherungspflicht von Masseuren, die im Rahmen freier Mitarbeitsverhältnisse tätig werden.
2. Inhalt der Betriebsprüfung ist insbesondere die von den Arbeitgebern vorzunehmende Beurteilung von Beschäftigungsverhältnissen. Dazu zählt, ob und in welchem Umfang die in oder für den geprüften Betrieb tätigen Personen der Sozialversicherungspflicht unterliegen, ob diese versicherungspflichtig, versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit sind (vgl LSG München vom 9.5.2012 - L 5 R 23/12 = NSZ 2012, 908).
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts München vom 16.08.2012 teilweise abgeändert und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 15.06.2012 hinsichtlich der Beitragsnachforderung für die Tätigkeit des S. angeordnet; im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
II. Die Kosten beider Rechtszüge trägt die Antragstellerin zu 9/10, die Antragsgegnerin zu 1/10.
III. Der Streitwert wird auf EUR 54.058,19 festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs gegen einen Beitragsnachforderungsbescheid aufgrund Betriebsprüfung anzuordnen.
1. Die Antragstellerin ist eine der sechs Gesellschaften mit beschränkter Haftung des "Wohlfühlbades" T. in A-Stadt. Der handelsregisterlich eingetragene Geschäftszweck der Antragstellerin ist das "Betreiben eines Heilbades unter gesundheitsfördernden Gesichtspunkten zur allgemeinen und speziellen Heilbehandlung". Dazu zählt das Angebot von klassischen Massagen ebenso wie von Aroma-, Fußreflexzonen- und Sportmassagen etc. Besucher der T. erwerben diese Leistungen über das Kassensystem der Antragstellerin und erhalten in von der Antragstellerin betriebenen Räumlichkeiten/Kabinen die entsprechenden Massagen. Bis Mitte 2009 war dieser Massagebereich an einen eigenen Betreiber vermietet, seither hat die Antragstellerin das Massageleistungssystem umgestellt. Die verschiedenen Massageanwendungen erbringen nunmehr einzelne Masseurinnen/Masseure (im Folgenden: Masseure), die zum einen aufgrund von Arbeitsverträgen tätig sind (Bezug: Anlage 8 zum Antrag der Antragstellerin vom 25.07.2012 - Verfahrensakte des Sozialgerichts ≪SG-Akte≫). Zum anderen sind Masseure als "freie Mitarbeiter" aufgrund zweier Verträge tätig, die die Antragstellerin jeweils vorformuliert und stellt: Ein Vertrag über freie Mitarbeit (Bezug: Anlage 9 des Antrages vom 25.07.2012 SG-Akte) und ein Mietvertrag (Bezug: Anlage 10 zum Antrag vom 25.07.2012 SG-Akte). Regelmäßig stellen die "freien Masseure" der Antragstellerin monatlich eine Rechnung für ihre erbrachten Leistungen, die Antragstellerin zieht hiervon einen Mietanteil ab in Höhe von 58%, 60 % oder 62 % des Umsatzes je nach Raumart und -größe. Die Antragstellerin stellt sowohl den freien als auch den angestellten Masseuren die Räumlichkeiten einschließlich Liegen und Massagematerialien im Wellnessbereich zur Verfügung.
Dieses Vorgehen beanstandete das Finanzamt A-Stadt in der Lohnsteueraußenprüfung vom 20.07.2010. Denn die freien Mitarbeiter seien nur dem Scheine nach selbstständig, tatsächlich aber abhängig beschäftigte Personen. Die entsprechenden Lohnsteuerbeträge wurden nachgefordert (Haftungsbescheid vom 10.08.2010). Diese Entscheidung akzeptierte die Antragstellerin, soweit die Masseure ausschließlich für die Antragstellerin tätig gewesen waren (Haftungsbescheid vom 18.11.2010).
2. Die Antragsgegnerin führte vom 04. bis 18.02.2011 eine beitragsrechtliche Betriebsprüfung der Antragstellerin durch und griff die steuerrechtliche Beanstandung der freien Masseure auf. Nach zusätzlichen Ermittlungen forderte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 15.06.2012 Gesamtsozialversicherungsbeiträge ohne Säumniszuschläge iHv 162.174,75 EUR nach. Die in freier Mitarbeit tätigen Masseure seien beitragsrechtlich zutreffend als Beschäftigte zu behandeln. Denn sie seien in den Betrieb der Antragstellerin eingebunden tätig, benutzten von dieser gestellte Räumlichkeiten und Arbeitsmittel, unterlägen detaillierten Vorgaben zu Kleidung und zur Arbeitsweise und seien in das Bezahl- und Abrechnungssystem der Besucher der Antragstellerin fest eingebunden. Dahinter müssten andere Gesichtspunkte, die für eine abhängige Beschäftigung sprächen, zurücktreten.
Dagegen erhob die Antragstellerin Widerspruch am 28.06.2012, soweit die Nachforderungen Masseure betrafen, die weitere Auftraggeber hatten. Wie in der steuerr...