Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren: Rechtsschutzbedürfnis im einstweiligen Rechtsschutzverfahren. vorausgehender Antrag bei einem Sozialleistungsträger als Zulässigkeitsvoraussetzung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren. Anforderung an die Annahme eines Anordnungsgrundes
Leitsatz (amtlich)
1. Dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anforderung fehlt regelmäßig das Rechtsschutzbedürfnis, wenn der Antragsteller nicht vorher sein Begehren an den zuständigen Verwaltungsträger herangetragen hat, vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. Oktober 2009 - 1 BvR 2442/09.
2. Ein Anordnungsgrund ist nur dann gegeben, wenn der Antragsteller glaubhaft machen kann, dass ihm ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht zumutbar ist.
Tenor
I. Der Antrag vom 26.11.2014 auf Gewährung von Versorgungsrente nach einem GdS von 80 ab 1974 und nach einem GdS von 100 ab 19.12.2007 sowie von Berufsschadensausgleich ab dem 09.06.2008 im Wege einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung von Versorgungsrente nach einem Grad der Schädigung (GdS) von 80 ab 1974 und nach einem GdS von 100 ab 19.12.2007 sowie von Berufsschadensausgleich ab dem 09.06.2008.
Er erhält als Kriegsbeschädigter Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Mit Bescheid vom 19.02.2014 lehnte der Antragsgegner den "Verschlimmerungsantrag" des Antragstellers vom 12.08.2013 auf Aufhebung der mit Bescheid vom 20.01.1975 zur Versorgung getroffenen Entscheidung (Versorgung nach einem GdS von 50) und Gewährung einer Versorgung nach einem höheren GdS ab. Der Antragsgegner begründet dies damit, dass sich eine wesentliche Änderung im Sinn des § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) nicht ergeben habe.
Widerspruch und Klage dagegen blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 03.06.2014, Urteil des Sozialgerichts [SG] München vom 09.09.2014), derzeit ist die Berufung des Antragstellers beim Senat anhängig.
Mit Schreiben vom 26.11.2014 hat der Antragsteller beim Bayer. Landessozialgericht (LSG) "Antrag auf Erlass einer baldigen Entscheidung ... und Erlass einer Regulierungsanordnung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes" gestellt. Begründet hat er diesen Antrag lediglich damit, dass die Entscheidungen des Antragsgegners und des SG offenkundig rechtsfehlerhaft seien.
Im Übrigen wird zum Sachverhalt ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten des Bayer. LSG auch im Berufungsverfahren und des SG München sowie der Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen.
II.
Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutz ist, sofern er nicht bereits unzulässig ist, unbegründet.
Soweit es nicht schon am Rechtsschutzbedürfnis fehlt und der Antrag deshalb unzulässig ist, ist jedenfalls ein Anordnungsgrund nicht gegeben.
1. Ziel des Antragstellers
Der Beschwerdeführer begehrt im Wege einer einstweiligen Anordnung gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Gewährung von Versorgung nach dem BVG auf der Grundlage eines höheren GdS als bislang seit 1974 bis heute sowie die Gewährung von Berufsschadensausgleich seit dem 09.06.2008.
2. Voraussetzungen einer einstweilige Anordnung - Allgemeines
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Eine solche Regelungsanordnung setzt sowohl einen Anordnungsgrund (Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung) als auch einen Anordnungsanspruch (materielles Recht, für das einstweiliger Rechtsschutz geltend gemacht wird) voraus. Sowohl der Anordnungsgrund als auch der Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 2 und 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung; vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/ders./Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 86 b, Rdnr. 41).
3. Prüfung der Voraussetzungen im vorliegenden Fall
3.1. Sofern der Antragsteller die Gewährung von Versorgung auf der Grundlage eines höheren GdS seit 1974 bis zum Verschlimmerungsantrag vom 12.08.2013 sowie die Gewährung von Berufsschadensausgleich seit dem 09.06.2008 im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes begehrt, fehlt bereits das Rechtsschutzbedürfnis; sein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist insofern unzulässig.
Zwar ist es gemäß § 86 b Abs. 3 SGG nicht erforderlich, dass die Hauptsache bereits bei Gericht anhängig ist. Gleichwohl ist aber der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anforderung regelmäßig unzulässig, wenn der Antragsteller vorher sein Begehren nicht an den zuständigen Verwaltungsträger herangetragen hat. Dies hat das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 30.10.2009, Az.: 1 BvR 2442/09, wie folgt begründet:
"Es ist von Verfassung wegen nicht zu beanstanden, wenn der Zugang zu Gericht davon abhängig gemacht wird, dass für das Rechtsschutzb...