Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Mitwirkung ehrenamtlicher Richter. Erlass eines Ordnungsgeldbeschlusses. unentschuldigtes Nichterscheinen zur mündlichen Verhandlung trotz Anordnung. Entscheidung im Bürowege. mündliche Verhandlung vor dem Einzelrichter

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter beim Erlass eines Ordnungsgeldbeschlusses gegen säumige Kläger.

 

Orientierungssatz

Die Möglichkeit, dem säumigen Beteiligten rechtliches Gehör vor der Verhängung von Ordnungsgeld zu gewähren und erst später im Bürowege hierüber zu entscheiden, ist nur dann zulässig, wenn die mündliche Verhandlung vor dem Einzelrichter stattfand und dieser dann im Bürowege entscheidet.

 

Tenor

I. Auf die Beschwerden werden die Beschlüsse des Sozialgerichts München vom 27. Mai 2009 und vom 17. Juni 2009 aufgehoben.

II. Die Staatskasse hat den Beschwerdeführern die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beschwerdeführer (Bf.) wenden sich gegen die Auferlegung von Ordnungsgeld.

Die Beschwerdeführer machten im Hauptsacheverfahren vor dem Sozialgericht München zum Az.: S 50 AS 344/08 verschiedene Ansprüche auf Leistungen zur Grundsicherung geltend, u.a. die Übernahme der Kosten für ein Fernstudium der Bf. zu 1). Diese Leistungen hatte die Beklagte mit Bescheid vom 09.10.2007 und Widerspruchsbescheid vom 06.02.2008 abgelehnt, da die angestrebte Weiterbildung zur Ernährungsberaterin nicht für eine Integration in den Arbeitsmarkt erfolgversprechend sei. Über die weiteren mit der Klageschrift vom 08.02.2008 begehrten Leistungen, nämlich Einrichtungsgeld in Höhe von 1.000,00 EUR, Auszahlung der Unterkunftskosten direkt an die Bf. und nicht an den Vermieter sowie kostenfreie Auszahlung der monatlichen Geldleistungen an die Bedarfsgemeinschaft lag noch keine Entscheidung der Beklagten vor. Auf das beantragte Einrichtungsgeld zahlte die Beklagte einen Teilbetrag bzw. bot sie Sachleistungen an, mit denen sich die Bf. einverstanden erklärten. Die Unterkunftskosten zahlte die Beklagte ab 01.04.2008 wieder direkt an die Bf., die kostenfreie Auszahlung der monatlichen Leistungen zur Grundsicherung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11.09.2007 und Widerspruchsbescheid vom 02.04.2008 ab.

Das Sozialgericht lud beide Beschwerdeführer mit Postzustellungsurkunde vom 09.04.2009 zur mündlichen Verhandlung auf den 27.05.2009 und ordnete hierzu das persönliche Erscheinen beider Bf. an. In der Ladung war der Hinweis enthalten, es könne im Falle eines unentschuldigten Fernbleibens Ordnungsgeld auferlegt werden. Mit beim Sozialgericht am 06.05.2009 eingegangenem Schreiben beantragten die Bf., den Termin um vier Wochen aus gesundheitlichen Gründen der Bf. zu 1) zu verschieben. Zugleich beantragten sie die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH).

Am 11.05.2009 teilte das Sozialgericht mit, der Termin werde nur aufgehoben, wenn durch ein ärztliches Attest nachgewiesen werde. dass ein Erscheinen vor Gericht nicht möglich sei. Zur Bearbeitung des PKH-Antrags forderte es das ausgefüllte Formblatt über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Bf. sowie aktuelle Kontenauszüge an. Das Formblatt ging am 22.05.2009 bei der allgemeinen Einlaufstelle der Justizbehörden A-Stadt ein. Mit beim Sozialgericht am 26.05.2009 eingegangenem Fax baten die Bf., den Termin um vier bis sechs Wochen zu verschieben. Die Bf. zu 1) müsse sich einer weiteren Operation unterziehen, außerdem sei über den von ihnen gestellten Antrag auf PKH noch nicht entschieden worden; sie wollten einen Rechtsanwalt beauftragen.

In der mündlichen Verhandlung am 27.05.2009 erschienen die Bf. nicht.

In der Sitzung trennte das Sozialgericht vom Verfahren S 50 AS 344/08 die Klage mit dem Antrag auf Kostenübernahme für ein Fernstudium der Bf. zu 1) (Bescheid vom 09.10.2007 und Widerspruchsbescheid vom 06.02.2008) ab; dieses Verfahren wurde unter dem Az.: S 50 AS 1321/09 weitergeführt.

Bezüglich des Verfahrens S 50 AS 344/08, das die kostenfreie Auszahlung betraf, hob das Sozialgericht die Anordnung des persönlichen Erscheinens beider Bf. auf und wies die Klage mit Urteil ab.

Beiden Bf. legte es im abgetrennten Verfahren jeweils 50,00 EUR Ordnungsgeld wegen unentschuldigten Fernbleibens auf. Ein ärztliches Attest zum Nachweis, dass das Erscheinen aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich gewesen sei, hätten die Bf. nicht vorgelegt. Über ihren Antrag auf PKH habe nicht entschieden werden können, da die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie ein aktueller Kontoauszug nicht vorgelegt worden seien. Die mündliche Verhandlung im Verfahren S 50 AS 1321/09 vertagte es, nachdem die Beklagte zugesagt hatte, innerhalb von vier Wochen einen Nachweis vorzulegen, dass der Träger des angestrebten Fernstudiums nicht zugelassen sei. Die Ordnungsgeldbeschlüsse ergingen nach geheimer Umfrage.

Im Verfahren S 50 AS 1321/09 legte das Sozialgericht beiden Beschwerdeführern durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung a...

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