Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Ordnungsgeld. Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter bei Beschlussfassung innerhalb der mündlichen Verhandlung. Sitzungsprotokoll

 

Leitsatz (amtlich)

Bei innerhalb der mündlichen Verhandlung erlassenen Ordnungsgeldbeschlüssen wirken die ehrenamtlichen Richter mit; dies ist zu protokollieren.

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde wird der Ordnungsgeldbeschluss des Sozialgerichts Landshut vom 15.05.2009 aufgehoben.

II. Die Staatskasse hat dem Beschwerdeführer die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen ihm auferlegtes Ordnungsgeld.

Im Hauptsacheverfahren zum Az.: S 3 R 972/08 begehrt der Beschwerdeführer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Eine solche Leistung hatte die Beklagte mit Bescheid vom 25.07.2008 und Widerspruchsbescheid vom 27.08.2008 abgelehnt. Das Sozialgericht zog Befundberichte bei. Es lehnte den Antrag auf Prozesskostenhilfe mit Bescheid vom 20.01.2009 ab. Am 26.03.2009 verfügte es die Ladung der Beteiligten und der Sachverständigen Dres. W. und L. zum Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 15.05.2009. Hierzu ordnete es das persönliche Erscheinen des Beschwerdeführers zum Zwecke seiner Untersuchung durch die Sachverständigen und Begutachtung zu seinem verbliebenen Leistungsvermögen am Verhandlungstag an. Auf die Möglichkeit, es könne im Falle unentschuldigten Ausbleibens gegen ihn Ordnungsgeld festgesetzt werden, wurde er hingewiesen. Ob die Ladung - wie angeordnet - mit Empfangsbekenntnis dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, lässt sich der Akte nicht entnehmen. Sie enthält lediglich ein Empfangsbekenntnis des Bevollmächtigten des Beschwerdeführers.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer erschien der Beschwerdeführer nicht, auch nicht sein Bevollmächtigter. Es erging - ob mit oder ohne Beteiligung der ehrenamtlichen Richter ist im Protokoll nicht festgehalten - Beschluss, mit dem dem Beschwerdeführer Ordnungsgeld in Höhe von 250,00 EUR auferlegt wurde. Eine Begründung ist nicht angegeben. Die mündliche Verhandlung wurde vertagt. Die Sitzungsniederschrift stellte das Sozialgericht den Bevollmächtigten des Klägers und der Beklagten mit einfachem Brief zu.

Am 08.06.2009 legte der Beschwerdeführer dagegen Beschwerde ein. Er sei - wie das Attest des Dr. K. vom 05.06.2009 belege - wegen erheblicher Störung der Kognition (Wahrnehmung) nicht in der Lage gewesen, den Termin am 15.05.2009 wahrzunehmen. Die Säumnis sei somit entschuldbar. In dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Attest teilte der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. K. mit, der letzte Sprechstundenkontakt habe am 08.05.2009 stattgefunden. Zu diesem Zeitpunkt habe eine ausgeprägte depressive Phase bestanden. Aufgrund der aktuellen psychischen Situation sei von einer erheblichen Störung der Kognition auszugehen, die die Säumnis am Gerichtstermin bei dem an sich zwanghaft korrekten Patienten erkläre.

Das Sozialgericht legte die Beschwerde dem Bayer. Landessozialgericht zur Entscheidung vor, da Dr. K. lediglich eine Behandlung am 08.05.2009 bestätigt habe und bei einer Erkrankung ein Verlegungsantrag möglich gewesen wäre, um eine vergebliche Ladung der Sachverständigen und der Beklagten zu verhindern.

Der Beschwerdeführer beantragt,

den Ordnungsgeldbeschluss des Sozialgerichts Landshut vom 15.05.2009 aufzuheben.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts gemäß § 136 Abs.2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den Inhalt der beigezogenen Akten Bezug genommen.

II.

Die statthafte und zulässige Beschwerde (§§ 172, 173 SGG) führt zur Aufhebung des Beschlusses vom 15.05.2009, weil dieser an einem Verfahrensfehler leidet.

Aus § 12 Abs.1 Satz 2 SGG ergibt sich im Umkehrschluss, dass bei Beschlüssen innerhalb der mündlichen Verhandlung die ehrenamtlichen Richter mitwirken. Auf einen Beschluss in der mündlichen Verhandlung ist u.a. § 61 Abs.2 SGG anzuwenden (Meyer-Ladewig, Keller, Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 142 Rdnr.3a). Danach hat jeder Entscheidung eine äußerlich erkennbare Beratung und Abstimmung vorauszugehen. Der Zweck des Beratungsgeheimnisses erfordert es, dass Beratung und Abstimmung geheim sind, also nur für die zur Teilnahme Berechtigten wahrnehmbar stattfinden. Nach § 160 Abs.2 Zivilprozessordnung (ZPO) in Verbindung mit § 202 SGG sind die wesentlichen Vorgänge der Verhandlung in die Sitzungsniederschrift aufzunehmen.

Dem Protokoll vom 15.05.2009 ist lediglich zu entnehmen, dass der Vorsitzende den Ordnungsgeldbeschluss gefasst und in der Sitzung verkündet hat. Hingegen ist nicht zu erkennen, ob diesem Beschluss eine geheime Beratung der Kammer, d.h. einschließlich der ehrenamtlichen Richter, vorausgegangen ist. Da es eine Frage des Ermessens ist, ob überhaupt und in welcher Höhe Ordnungsgeld gemäß § 202 SGG in Verbindung mit §§ 141 Abs.3, 380, 381 Abs.1 ZPO verhängt wird, bedarf es des Nachweises, dass eine Beratung stattgefunden hat, in der mit der zu treffenden Entscheidung notwendigerweise verbundene Erw...

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