Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. (fiktive) Terminsgebühr. Gebührenanfall bei einem schriftlichen außergerichtlichen Vergleich. telefonische Besprechung eines Vergleichsvorschlags. Vergleichbarkeit der außergerichtlichen Gespräche mit einem Gerichtstermin
Leitsatz (amtlich)
Die (fiktive) Terminsgebühr nach Nr 3106 S 1 Nr 1 Alt 2 VV RVG (juris: RVG-VV) fällt auch beim Abschluss eines schriftlichen außergerichtlichen Vergleichs an.
Orientierungssatz
Für das Entstehen einer Besprechungsterminsgebühr ist nicht erforderlich, dass ein hohes Maß an Vergleichbarkeit der Besprechung mit einem regulären Termin besteht und die außergerichtlichen Gespräche konkret an Umfang und Intensität einem Gerichtstermin gleichkommen müssen (vgl LSG München vom 19.2.2020 - L 12 SF 48/17 E).
Tenor
I. Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 21.06.2018, S 6 SF 58/18 E, und die Vergütungsfestsetzung der Urkundsbeamtin des SG vom 03.05.2018 abgeändert. Die aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung wird auf 211,22 Euro festgesetzt.
II. Im Übrigen war die Beschwerde zurückzuweisen.
Gründe
I.
Streitig ist die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Vergütung des Beschwerdeführers (Bf) nach Beiordnung im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH).
In dem dieser Kostensache zugrundliegenden Verfahren mit dem Az.: S 4 U 5002/17 L erhob der Bf am 13.01.2017 Klage zum Sozialgericht Augsburg (SG) und begehrte für den Kläger die Zahlung einer Verletztenrente aufgrund einer MdE in Höhe von 80 v.H. anstatt von 70 v.H. Die Klage begründete er mit substantiiertem Sach- und Rechtsvortrag, er nahm zur Klageerwiderung Stellung und reichte die vom Gericht angeforderten ausgefüllten Formularblätter zur Einholung von Befundberichten sowie die Unterlagen für die PKH ein.
Nach Einholung eines interdisziplinären medizinischen Gutachtens nach Aktenlage durch die Beklagte unterbreitete diese einen Vergleichsvorschlag dahingehend, dass ab Beginn der Verletztendauerrente die verbliebenen Unfallfolgen mit einer Gesamt-MdE von 80 v.H. bewertet werden. Außergerichtliche Kosten würden zu einem Anteil von 3/4 der angemessenen Gebührensätze erstattet. Beigefügt war dem Schreiben die dem Vergleichsangebot zugrundeliegende beratungsärztliche Stellungnahme.
Das SG bewilligte dem Kläger mit Beschluss vom 16.06.2017 Prozesskostenhilfe und ordnete den Bf bei.
Mit Schriftsatz vom 19.07.2017 teilte die Beklagte dem Gericht die Erweiterung ihres Vergleichsangebots nach Rücksprache mit dem Bf dahingehend mit, dass dem Kläger die im Widerspruchsverfahren entstandenen angemessenen Kosten zu 100 %, jedoch unter Berücksichtigung der maximal zulässigen Anrechnung der Kosten für das gerichtliche Verfahren, zusätzlich erstattet würden.
Sodann nahm der Bf am 03.08.2017 das erweiterte Vergleichsangebot der Beklagten an und erklärte den Rechtsstreit für erledigt.
Am 25.09.2017 beantragte der Bf die Festsetzung seiner PKH-Vergütung auf 1.463,70 Euro. Die Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG sei wegen des erheblichen Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit in Höhe von 465,00 Euro angefallen, die Einigungsgebühr Nr. 1006 daher in gleicher Höhe. Eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG sei wegen der telefonischen Besprechung angefallen und mit der Mittelgebühr in Höhe von 280,00 Euro anzusetzen. Hinzu kamen die Post- und Telekommunikationspauschale nach Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20,00 Euro sowie die Umsatzsteuer (233,70 Euro). Die daraufhin zur Stellungnahme aufgeforderte Beklagte akzeptierte die Kostenrechnung in Bezug auf Verfahrens- und Einigungsgebühr sowie Postpauschale (einschließlich USt. somit in Höhe von 1.130,50 Euro) und überwies entsprechend der im Vergleich vereinbarten Quote außergerichtliche Kosten in Höhe von 847,88 Euro (= 75% von 1.130,50 Euro) an den Bf. Eine fiktive Terminsgebühr sei nicht entstanden, da weder ein schriftlicher Prozessvergleich geschlossen worden sei noch die nach dem ersten Vergleichsangebot geführten Telefonate mit dem Bf eine solche auslösten. Die Beklagte teilte weiter mit, für das Vorverfahren habe der Bf 422,45 Euro entsprechend seiner Rechnung vom 27.10.2017 erhalten. In dieser hatte der er eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2302 VV RVG in Höhe von 510,00 Euro geltend gemacht und hiervon 175,00 Euro gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 2 VV RVG abgezogen. Dies entspreche der im Vergleich vereinbarten Vorgehensweise.
Das SG hat weiter Gesprächsnotizen zu den zwischen der Beklagten und dem Bf geführten Telefonaten beigezogen. Der Bf verblieb bei der Auffassung, dass die mit der Beklagten geführten Gespräche eine Terminsgebühr nach VV Vorbem. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 RVG auslösen würden.
Am 03.05.2018 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die vom Beschwerdegegner (Bg) zu erstattenden Kosten auf 0,00 Euro fest. Hierbei ging sie vom Anfall der Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG in Höhe von 200,00 Euro aus und damit auch vom Anfall der Einigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG in H...