Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht: Änderung einer bestandskräftigen Statusfeststellung im Wege einer einstweiligen Anordnung
Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen einer einstweiligen Anordnung zur Änderung einer bestandskräftigen Statusfeststellung bei Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung.
Ein Anordnungsgrund i.S. einer besonderen Dringlichkeit liegt nicht vor, wenn eine nachteilige Situation - hier: zeitweise Doppelbelastungen mit privaten und gesetzlichen Krankenversicherungsbeiträgen - maßgeblich vom Antragsteller selbst verursacht wurde.
Tenor
I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 09. Oktober 2017 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege einer einstweiligen Anordnung die vorläufige Verpflichtung der Antragsgegnerin, unter Abänderung einer bestandskräftigen Statusfeststellung Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung festzustellen.
Der 1962 geborene Antragsteller ist seit dem 22.04.2005 alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der R.-GmbH. Er ist über die R. GmbH & Co. KG zu einem Drittel mittelbar an dem Unternehmen beteiligt. Gesellschafterbeschlüsse werden laut Satzung mit einfacher Mehrheit gefasst. Aufgrund der einschlägigen Branchenkenntnisse des Antragstellers ist er laufenden Weisungen nicht unterworfen. Am 20.06.2007 hatte er bei der Antragsgegnerin die Feststellung beantragt, dass für seine Tätigkeit als Geschäftsführer keine Sozialversicherungspflicht bestehe. Die Clearingstelle stellte daraufhin mit Bescheid gem. § 7a SGB IV vom 08.02.2008 fest, dass der Antragsteller aufgrund seiner exklusiven Branchenkenntnisse in der Tätigkeit als Geschäftsführer der R.-GmbH selbstständig ist und kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt.
Erstmals mit E-Mail vom 12.05.2017 beantragte der Antragsteller eine Überprüfung seines sozialversicherungsrechtlichen Status sowie ggf. eine Aufhebung der getroffene Feststellung für die Zukunft. Zwar habe sich an den der Beurteilung zu Grunde liegenden tatsächlichen Verhältnissen nichts geändert, er habe jedoch gehört, dass das Bundessozialgericht (BSG) die diesbezügliche Rechtsprechung geändert habe. Mit Bescheid vom 18.05.2017 lehnte die Antragsgegnerin eine Aufhebung der getroffenen Feststellung ab. Es sei keine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne von § 48 SGB X eingetreten. Die getroffene Entscheidung entspreche zwar nicht der aktuellen Rechtsprechung, sie sei jedoch bestandsgeschützt.
Am 24.05.2017 legte der Antragsteller durch seine Bevollmächtigten Widerspruch ein. Es liege eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse vor, da sein Gehalt gesunken sei. Das BSG habe im Jahr 2015 mit mehreren Urteilen die sog. "Kopf und Seele-Rechtsprechung" aufgegeben und die sozialversicherungsrechtlichen Statusbeurteilung entscheidend vom Umfang der Kapitalbeteiligung und einer möglichen Sperrminorität abhängig gemacht. Damit sei die Feststellung vom 08.02.2008 von Anfang an als rechtswidrig anzusehen. Für die Aufhebung sei § 45 SGB X einschlägig, der Antragsteller verzichte ausdrücklich auf Vertrauensschutz. Mit Bescheid vom 31.07.2017 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch als unbegründet zurück. Eine wesentliche Änderung der rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse nach § 48 SGB X liege nicht vor. Das BSG habe mit der Änderung seiner Rechtsprechung lediglich die Gewichtung der verschiedenen Abwägungskriterien klargestellt. Änderungen im Einkommen des Antragstellers seien unerheblich.
Gegen diese Entscheidung erhob der Antragsteller am 22.08.2017 Klage zum Sozialgericht München (SG) und stellte am 23.08.2017 den Antrag, im Wege einer einstweiligen Anordnung bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens aufgrund der Tätigkeit als Geschäftsführer der R.-GmbH Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung festzustellen. Die tatsächlichen Verhältnisse seiner Tätigkeit hätten sich alleine insoweit verändert, als die Gesellschafterversammlung am 29.05.2017 beschlossen habe, dass er ab dem 01.06.2017 nicht mehr in Vollzeit arbeiten werde und seine Vergütung auf Euro 4200 monatlich reduziert werde. Aufgrund der Änderung der Rechtsprechung des BSG sei die Statusfeststellung aus dem Jahr 2008 jedoch von Anfang an rechtswidrig gewesen, so dass diese nach § 45 SGB X für die Zukunft aufzuheben sei. Er sei derzeit privat kranken- und pflegeversichert und müsse hierfür einen Beitrag von Euro 793,02 monatlich zahlen. Eine gesetzliche Kündigungsmöglichkeit bestehe alleine bis zum 31.08.2017, eine Rückerstattung sei im Fall der Feststellung einer Versicherungspflicht ausgeschlossen. Die Einzugsstelle (AOK) habe die Anmeldung zur Sozialversicherung vorläufig zurückgestellt. Der Antragsbegründung war unter anderem ein schriftlicher Gesellschafterbeschluss der R.-GmbH vom 29.05.2017 beigelegt, mit welchem der "Bitte" des Antragstellers, seine Arbeitszeit a...