Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. rechtliche Qualifizierung und Einordnung eines Verwaltungsaktes mit Doppel- oder Mischwirkung. Statusfeststellungsbescheid über das Nichtvorliegen von Versicherungspflicht wegen Ausübung einer selbständigen Tätigkeit. Rücknahme. keine ständige "Kopf-und Seele"-Rechtsprechung, die iSv § 48 Abs 2 hätte aufgegeben werden können
Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Rechtsgrundlagen und Voraussetzungen der Aufhebung einer bestandskräftigen Statusfeststellung bei Änderung der subjektiven Betroffenheit.
2. Die Beurteilung, ob ein Verwaltungsakt begünstigende oder nicht begünstigende Wirkung iS der §§ 44, 45 SGB X entfaltet, richtet sich nach dessen Inhalt und nicht nach den jeweiligen, ggf auch nur mittelbaren Auswirkungen auf die Betroffenen.
3. Eine ständige "Kopf und Seele"-Rechtsprechung, welche mit Urteil des BSG vom 29.7.2015 - B 12 KR 23/13 R = BSGE 119, 216 = SozR 4-2400 § 7 Nr 24 iSv § 48 Abs 2 SGB X hätte aufgegeben werden können, bestand zu keinem Zeitpunkt (vgl BSG vom 19.9.2019 - B 12 R 25/18 R = SozR 4-2400 § 7 Nr 43).
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 24.09.2018 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 18.05.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.07.2017 abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen
Tatbestand
Streitig ist die Versicherungspflicht des Klägers in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der C. Verwaltungs-GmbH (Beigeladene zu 1).
Alleingesellschafterin der am 30.11.2004 gegründeten Beigeladenen zu 1) ist die C. GmbH % Co. KG, deren persönlich haftende Gesellschafterin wiederum die Beigeladene zu 1) ist. Die Kommanditanteile der KG werden zu gleichen Teilen von drei Gesellschaften gehalten, wobei der Kläger Alleingesellschafter der S. C. GmbH ist. Zwischen der Beigeladenen zu 1) und dem Kläger wurde am 06.12.2004 ein Geschäftsführervertrag geschlossen, der u.a die Regelung enthält, dass der Kläger bei der Ausübung seiner Geschäftsführertätigkeit an das Gesetz, die Gesellschaftsverträge und an jederzeit mögliche Weisungen der Gesellschafterversammlung der Firma sowie der C. GmbH % Co. KG gebunden ist.
Im April 2007 stellte der Kläger einen Antrag auf Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status. Die Beklagte teilte hierauf zunächst mit, dass aus dem Gesellschaftsvertrag eine Beteiligung des Klägers an der Beigeladenen zu 1) nicht hervorgehe. Nachdem der Kläger angegeben hatte, dass er an der KG beteiligt sei, die wiederum sämtliche Geschäftsanteile der GmbH halte, somit - wie in vergleichbaren anderen Fällen auch - eine Einheitsgesellschaft anzunehmen sei und er ein erhebliches unternehmerisches Risiko trage, entschied die Beklagte mit getrennten Bescheiden vom 08.02.2008 gegenüber dem Kläger sowie der Beigeladenen zu 1), dass die Tätigkeit als Geschäftsführer im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit ausgeübt werde und Versicherungspflicht nicht bestehe. Zwar liege aufgrund der nachgewiesenen Beteiligung des Klägers an der KG in Höhe von 33 1/3 % nur eine mittelbare Beteiligung an der Verwaltungs-GmbH vor, die keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft erlaube. Ein Indiz für die Handlungsfreiheit und somit den maßgeblichen Einfluss sei jedoch, dass der Kläger Geschäftsführer sei und über die notwendigen Branchenkenntnisse verfüge. Einseitige Weisungen würden nicht erteilt. Eine Gesamtwürdigung aller Umstände ergebe daher ein Überwiegen der Merkmale einer selbstständigen Tätigkeit. Widerspruch hiergegen wurde nicht eingelegt.
Am 12.05.2017 wandte sich der Kläger an die Beklagte und teilte mit, es habe sich an den grundlegenden Verhältnissen seiner Tätigkeit als Geschäftsführer zwar nichts geändert, er habe aber gelesen, dass durch Urteile des BSG eine Änderung eingetreten sei. In diesem Falle beantrage er die Aufhebung des Statusbescheids vom 08.02.2008 für die Zukunft. Mit streitigem Bescheid vom 18.05.2017 gegenüber dem Kläger, der gleichlautend auch an die GmbH gerichtet wurde, stellte die Beklagte unter dem Betreff "Statusfeststellungsverfahren fest", dass für die Tätigkeit des Klägers als Geschäftsführer mit mittelbarer Beteiligung keine Versicherungspflicht bestehe. Der Bescheid vom 08.02.2008 werde nicht nach § 48 SGB X aufgehoben, da eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen nicht eingetreten sei. Die mit Bescheid vom 08.02.2008 getroffene Entscheidung entspreche zwar nicht der aktuellen Rechtsprechung, sie sei jedoch bestandsgeschützt.
Hiergegen legten der Kläger und die Beigeladene zu 1) Widerspruch ein und trugen vor, die tatsächlichen Verhältnisse hätten sich insoweit geändert, als sich sein Gehalt als Geschäftsführer reduziert habe. Auch sei der Bescheid nach der aktuellen Rechtsprechung des BSG als rechtswidrig anzusehen. Der Bescheid sei von Anfang an rechtswidrig gewesen. Seine Aufhebung habe...