Entscheidungsstichwort (Thema)
Anordnung des persönlichen Erscheinens zum Termin zur mündlichen Verhandlung. Voraussetzungen für die Verhängung eines Ordnungsgeldes
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Erforderlichkeit des persönlichen Erscheinens des Klägers zum Termin zur mündlichen Verhandlung.
Leitsatz (redaktionell)
1. Erkrankt ein mit der Anordnung zum persönlichen Erscheinen geladener Beteiligter, so hat er eventuell durch ein ärztliches Attest oder Bescheinigung zu belegen, dass ein Erscheinen und die Teilnahme an der Sitzung nicht möglich gewesen ist. Allein die Vorlage einer Krankmeldung beim Arbeitgeber ist grundsätzlich nicht ausreichend.
2. In der Regel hat die Verhängung von Ordnungsgeld zu unterbleiben, wenn eine das Verfahren abschließende Entscheidung trotz Ausbleiben des Klägers erfolgen kann.
Normenkette
SGG §§ 111, 202; ZPO § 141 Abs. 3, §§ 380-381
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 31. Juli 2012 aufgehoben.
II. Die Staatskasse hat dem Beschwerdeführer die ihm im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beschwerde richtet sich gegen die Verhängung von Ordnungsgeld.
In dem Klageverfahren vor dem Sozialgericht Nürnberg hat sich der Kläger und Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf.) gegen die Ablehnung eines Arbeitsunfalls durch die Beklagte mit Bescheid vom 21. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Dezember 2008 gewandt.
Das Sozialgericht hat umfangreiche Ermittlungen durchgeführt; u.a. hat es den Chirurgen und Unfallchirurgen Dr. S. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Es hatte den Bf. bereits für den 11. November 2010 zur mündlichen Verhandlung geladen und das persönliche Erscheinen des Bf. angeordnet. Da der Bf. an diesem Tag eine Fortbildungsveranstaltung hatte, hatte das Sozialgericht den Termin abgesetzt und den Rechtsstreit für den 25. Mai 2011 geladen. Der Bf. hatte hierzu eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wegen Krankheit vom 17. Mai bis 1. Juni 2011 vorgelegt, weshalb das Sozialgericht den Termin erneut abgesetzt hatte. Eine weitere Ladung ist dem Bf. für die mündliche Verhandlung am 9. August 2011 zugestellt worden. Der Bf. hat auf sein Schreiben vom 30. Juni 2011 verwiesen, in dem er mitgeteilt hat, dass eine Arbeitsunfähigkeit fortdauere und ab 6. Juli 2011 eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt werde. Erneut hat das Sozialgericht den Termin zur mündlichen Verhandlung aufgehoben.
Das Sozialgericht hat einen neuen Termin zur mündlichen Verhandlung für den 31. Juli 2012, 12.30 Uhr, bestimmt und erneut das persönliche Erscheinen des Bf. angeordnet. Die Ladung war mit dem Zusatz versehen, dass gegen den Bf. ein Ordnungsgeld bis zu 1.000.- EUR festgesetzt werden kann, wenn er ohne genügende Entschuldigung nicht erscheint. Die Ladung ist dem Bf. gemäß Empfangsbestätigung am 12. Juli 2012 zugegangen. Der Bf. hat am 31. Juli 2012 um 8.33 Uhr im Gericht angerufen und mitgeteilt, dass er erkrankt sei und zum Termin nicht erscheinen könne. Er wurde unmittelbar und nochmals mit gerichtlichem Schreiben vom 1. August 2012 aufgefordert, ein ärztliches Attest zuzusenden.
In der mündlichen Verhandlung hat der Vorsitzende festgestellt, dass der Bf. ordnungsgemäß geladen war. Mit anschließendem Urteil hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.
Der Bf. hat am 13. August 2012 eine Bestätigung des Arbeitgebers vom 1. August 2012 über eine Krankmeldung vom 30. Juli 2012 mit dem handschriftlichen Vermerk "Krankheit ohne Attest" vorgelegt. Gesundmeldung und Dienstantritt erfolgten am 1. August 2012. Der Bf. hatte angegeben: "Am 30. und 31. August 2012 konnte ich aus gesundheitlichen Gründen meinen Dienst nicht antreten."
Mit Beschluss vom 27. August 2012 hat das Sozialgericht dem Bf. ein Ordnungsgeld in Höhe von 200.- EUR auferlegt. Eine ärztliche Krankmeldung bzw. eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung habe der Bf. entgegen des gerichtlichen Hinweises nicht vorgelegt, sondern nur eine persönliche Entschuldigung beim Arbeitgeber. Von einem zwingenden Grund für die Abwesenheit habe das Gericht daher nicht ausgehen können. Wegen grober Missachtung des Gerichts werde daher ein Ordnungsgeld von 200.- EUR auferlegt.
Zur Begründung der hiergegen gerichteten Beschwerde hat der Bf. vorgebracht, dass er sich am Verhandlungstag rechtzeitig telefonisch entschuldigt habe. Er sei seit Samstag aufgrund einer Grippe von seiner Ehefrau an seinem Zweitwohnsitz gepflegt worden. Hätte man ihm mitgeteilt, dass die Entschuldigung, die er seinem Arbeitgeber übermittelte, nicht ausreichend sei, hätte er jederzeit eine ärztliche Bescheinigung übermitteln können. Außerdem sei er finanziell nicht in der Lage, eine außerordentliche Zahlung von 200.- EUR zu tätigen, da er aufgrund eines Immobiliengeschäftes verschuldet sei.
II.
Die Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 SGG) und begründet.
Voraussetzung für die Auferlegung von Ordnungsgeld ist eine ordnungsgemäße Ladung und das unentschuldigte...