Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren: Entschädigung von Sachverständigen und Zeugen. Ausstellung eines Befundberichts als zu entschädigende Tätigkeit eines Arztes. Voraussetzung der Annahme eines außergewöhnlich umfangreichen Befundberichts als Kriterium bei der Entschädigungsbemessung. Offensichtlich erkennbarer zeitlicher Aufwand
Leitsatz (amtlich)
1. Maßstab bei der Beurteilung, ob ein Befundbericht außergewöhnlich umfangreich ist, ist im Wesentlichen der Umfang der Ausführungen des berichtenden Arztes.
2. Als außergewöhnlich umfangreich sieht der Senat einen Befundbericht grundsätzlich erst dann an, wenn er den Umfang von sechs vollen Seiten erreicht.
3. Bei der Ermittlung der Seitenzahl ist von einer Standardseite mit 30 Zeilen je 60 Anschlägen pro Seite (= 1.800 Anschläge pro Seite) auszugehen.
4. Ist der Umfang von sechs vollen Seiten nicht erreicht, ist nur dann von einem außergewöhnlich umfangreichen Befundbericht auszugehen, wenn es ohne weiteres und offenkundig auf der Hand liegt, dass der zeitliche Aufwand für die Erstellung außergewöhnlich groß gewesen ist. An die Prüfpflichten der Kostenbeamten und Kostenrichter sind dabei nur vergleichweise geringe Anforderungen zu stellen.
Normenkette
JVEG § 10 Abs. 1, § 4 Abs. 1
Tenor
Die Entschädigung für die Abgabe des Befundberichts vom 17.04.2016 wird auf 21,70 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt eine Entschädigung für die Abgabe eines Befundberichts nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG).
In einem beim Bayerischen Landessozialgericht (Bayer. LSG) geführten Rechtsstreit in einer krankenversicherungsrechtlichen Angelegenheit erstellte die Antragstellerin am 17.04.2016 auf Anfrage des Gerichts vom 17.03.2016 einen Befundbericht. Der Befundbericht umfasst eine Seite.
Für den Befundbericht stellte die Antragstellerin am 17.04.2016 einen Betrag in Höhe von 60,70 € (Entschädigung für die Auskunft: 60,- €; Porto: 0,70 €) in Rechnung.
Mit Schreiben vom 22.04.2016 bewilligte die Kostenbeamtin des LSG eine Entschädigung in Höhe von 21,70 €.
Dagegen hat sich die Antragstellerin mit Schreiben vom 15.05.2016 gewandt und die gerichtliche Festsetzung der Entschädigung beantragt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, dass sie für die Abfassung des Befundberichts insgesamt mehrere Stunden benötigt habe und davon kulanterweise ohnehin nur eine einzige Stunde mit einem Stundensatz von bloß 60,- € in Rechnung gestellt habe.
II.
Die Entschädigung für den Befundbericht vom 17.04.2016 ist auf 21,70 € festzusetzen.
Die Festsetzung der Entschädigung erfolgt gemäß § 4 Abs. 1 JVEG durch gerichtlichen Beschluss, wenn wie hier die Berechtigte mit Schreiben vom 15.05.2016 die gerichtliche Festsetzung der Entschädigung beantragt.
1. Prüfungsumfang im Verfahren der gerichtlichen Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG
Die gerichtliche Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG stellt keine Überprüfung der vom Kostenbeamten vorgenommenen Ermittlung der Entschädigung oder Vergütung dar, sondern ist eine davon unabhängige erstmalige Festsetzung. Bei der Festsetzung durch den Kostenbeamten handelt es sich um eine lediglich vorläufige Regelung, die durch den Antrag auf gerichtliche Festsetzung hinfällig wird (vgl. Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.11.1968, Az.: RiZ (R) 4/68). Damit wird eine vorherige Berechnung der Beträge im Verwaltungsweg sowohl bei den Einzelpositionen als auch im Gesamtergebnis gegenstandslos. Das Gericht hat daher eine vollumfassende Prüfung des Entschädigungs- oder Vergütungsanspruchs vorzunehmen, ohne auf Einwände gegen die im Verwaltungsweg erfolgte Festsetzung beschränkt zu sein. Die vom Gericht festgesetzte Entschädigung oder Vergütung kann daher auch niedriger ausfallen, als sie zuvor vom Kostenbeamten festgesetzt worden ist; das Verbot der reformatio in peius gilt nicht (h.M., vgl. z.B. Beschluss des Senats vom 08.05.2014, Az.: L 15 SF 42/12; Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG, 26. Aufl. 2014, § 4, Rdnr. 12 - m.w.N.).
2. Entschädigung für den Befundbericht vom 17.04.2016
Die Entschädigung für die Abgabe des Befundberichts vom 17.04.2016 ist auf 21,70 € festzusetzen. Ein weitergehender Anspruch besteht nicht.
Die Entschädigung stellt sich wie folgt dar:
2.1. Erstellung des Befundberichts
Für die Erstellung des Befundberichts steht der Antragstellerin ein Honorar von 21,- € zu.
Die Antragstellerin ist als sachverständige Zeugin im Sinn des § 414 Zivilprozessordnung tätig geworden. Sie hat eigene Wahrnehmungen von vergangenen Tatsachen und Zuständen bekundet, für die eine besondere Sachkunde, hier die medizinisch-ärztliche, erforderlich ist (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 26.11.1991, Az.: 9a RV 25/90).
Für den sachverständigen Zeugen gelten die Vorschriften über den Zeugenbeweis einschließlich der Regelungen über deren Entschädigung nach § 19 JVEG sowie die Sonderregelung in § 10 Abs. 1 JVEG, wenn er in der Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG aufgeführte Leistungen erbringt. Die Vorschriften der GOÄ sind nicht einschlägig.
Nach § 10 Abs. 1 ...