Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Unzulässigkeit der Berufung. Versäumung der Berufungseinlegungsfrist. Wohnsitz in Kroatien. Art 33 SozSichAbk HRV. kein Recht zur fristwahrenden Berufungseinlegung gegen deutsches Urteil bei zuständigem kroatischen Versicherungsträger bzw kroatischem Gericht. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

 

Leitsatz (amtlich)

Art 33 S 1, 2 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kroatien über soziale Sicherheit vom 24.11.1997 (juris: SozSichAbk HRV) vermittelt kein Recht, beim zuständigen kroatischen Versicherungsträger oder bei einem kroatischen Gericht fristwahrend Berufung gegen ein Urteil eines deutschen Sozialgerichts einzulegen.

 

Orientierungssatz

1. Eine Einhaltung der Berufungseinlegungsfrist kann nicht daraus abgeleitet werden, dass der Berufungsschriftsatz vor Ablauf der Frist zur Post gegeben worden ist. Die Berufung muss vielmehr innerhalb der Berufungseinlegungsfrist beim zuständigen LSG oder SG eingegangen sein.

2. Die Berufungseinlegungsfrist ist ohne Verschulden iS des § 67 Abs 1 SGG versäumt, wenn der Berufungsschriftsatz ordnungsgemäß adressiert und den postalischen Bestimmungen entsprechend richtig frankiert so rechtzeitig zur Post gegeben wurde, dass es nach den organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen der Post (bzw - bei der Versendung aus dem Ausland - mehrerer Postunternehmen) bei regelmäßigem Betriebsablauf das zuständige LSG oder SG fristgerecht erreicht hätte.

3. Beträgt die Postlaufzeit bei Landwegsendungen von Kroatien nach Deutschland in der Regel zwischen 10 und 14 Tagen, so kann der Kläger nicht darauf vertrauen, dass ein an einem Freitag in Kroatien zur Post gegebener und nicht als Vorrangsendung gekennzeichneter Berufungsschriftsatz bis zum darauffolgenden Montag beim zuständigen LSG oder SG fristgerecht eingeht.

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 2. Juni 2009 wird als unzulässig verworfen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1950 geborene Klägerin, kroatische Staatsangehörige mit Wohnsitz in ihrem Heimatland, war - mit Unterbrechungen - in Deutschland vom 7. Januar 1969 bis 30. Juli 1980 bei der Firma S. als Arbeiterin versicherungspflichtig beschäftigt. Seit 1. August 1980 hat die Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland keine Versicherungszeiten mehr zurückgelegt.

Die Klägerin beantragte am 28. Februar 2007 über den kroatischen Versicherungsträger Rente wegen Erwerbsminderung von der Beklagten. Diese zog beim kroatischen Versicherungsträger medizinische Unterlagen bei. Aus einem Gutachten vom 29. Oktober 2007 des Arbeitsmediziners Dr. T. geht hervor, dass die Klägerin in ihrer Jugend überwiegend gesund gewesen sei. In Deutschland seien eine Tonsillektomie und Appendektomie vorgenommen worden. Verletzungen habe sie in Deutschland nicht erlitten. 1996 sei sie aufgrund einer Cysticercosis cerebri, Epilepsia symptomatica und Reactio allergica stationär behandelt worden. 2004 und 2006 hätten erneute stationäre Behandlungen stattgefunden. Seit 28. Februar 2007 liege das Leistungsvermögen der Klägerin unter 3 Stunden. Die ältesten vorliegenden Befundberichte stammen aus dem Jahr 1996. Der kroatische Versicherungsträger teilte mit Schreiben vom 16. November 2007 mit, die Klägerin habe in ihrem Heimatland keine Versicherungszeiten zurückgelegt.

Mit angefochtenem Bescheid vom 18. Dezember 2007 lehnte die Beklagte den Antrag ab, weil die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Im maßgeblichen Zeitraum 28. Februar 2002 bis 27. Februar 2007 seien nur 0 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt. Auch sei der Zeitraum 1. Januar 1984 bis Januar 2007 nicht durchgehend mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt. Die Wartezeit sei auch nicht vorzeitig erfüllt. Schließlich sei die Erwerbsminderung nicht vor dem 1. Januar 1984 eingetreten.

Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie sei von 2. August 1993 bis 30. November 2007 arbeitslos gemeldet gewesen. Arbeit habe sie nicht finden können. Sie legte eine Bescheinigung des kroatischen Arbeitsamtes vom 22. Januar 2008 vor, wonach sie vom 2. August 1993 bis 30. November 2003, 29. März 2004 bis 31. Dezember 2004, 22. März 2005 bis 31. Dezember 2005, 17. Mai 2006 bis 11. Dezember 2006 und 26. Juni 2007 bis 30. November 2007 im Register arbeitsloser Personen geführt worden sei. Im vorhergehenden und im laufenden Jahr habe die Klägerin keine Geldleistung bezogen. Vorgelegt wurde weiterhin ein Arbeitsvertrag mit einem deutschen Arbeitgeber über Saisonarbeiten (Spargelernte) vom 26. Februar 1996 für die Dauer von drei Monaten sowie Bescheide der kroatischen Rentenversicherungsanstalt, wonach in den Jahren 2003 24 Tage, 2004 15 Tage, 2005 1 Monat 6 Tage und...

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