Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren: Zulässigkeit einer Beschwerde im einstweiligen Rechtsschutzverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Beschwerde gegen eine einstweilige Anordnung gem. § 86 b SGG wird unzulässig, wenn der Verpflichtete vorläufig leistet, denn das prozessuale Ziel der Aufhebung einer vorläufigen Leistungsverpflichtung kann dann nicht mehr erreicht werden.

2. Die Beschwerde gegen eine einstweilige Anordnung ist nicht ausgeschlossen, wenn kein Antrag nach § 199 Abs. 2 SGG gestellt wird; beide Verfahren unterliegen unterschiedlichen Maßstäben.

 

Tenor

I. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 16. September 2016 wird als unzulässig verworfen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Antragsgegner wendet sich gegen die Verpflichtung der vorläufigen Kostenübernahme für eine Kfz-Reparatur in Höhe von 2.631,83 Euro.

Der 1975 geborene Antragsteller (die Bezeichnung der Beteiligten aus der 1. Instanz werden beibehalten) ist diplomierter Kommunikationswirt. Gegenwärtig promoviert der Antragsteller an der Universität in W-Stadt.

Er leidet seit Geburt an einer beinbetonten spinalen Muskelatrophie, die mit einem Muskelabbau sowie Muskelschwäche verbunden ist. Weiterhin liegen eine deutliche Deformation des Skeletts und dadurch eine deutlich eingeschränkte Lungenfunktion vor. Ein Grad der Behinderung von 100 und die Merkzeichen B, G, AG, H, RF sind festgestellt, ebenso Pflegestufe III. Der Antragsteller bezieht Leistungen der Grundsicherung nach dem 4. Kapitel des SGB XII, Hilfe zur Pflege sowie Eingliederungshilfe und wird 24 Stunden pro Tag von einer persönlichen Assistenz unterstützt (Kostenübernahme für 22,5 Stunden von der Landeshauptstadt A-Stadt im Rahmen der Hilfe zur Pflege, 1,5 Stunden durch Leistungen des Antragsgegners im Rahmen der Eingliederungshilfe). Der Antragsteller ist auf einen Rollstuhl angewiesen und benötigt zusätzlich umfassende Hilfe.

Der Antragsgegner übernahm für das Studium des Antragstellers die Kosten für die Studienbegleitung und den behinderungsbedingten Mehrbedarf. Ferner wurden die Kosten für den Fahrdienst zwischen Wohnung und Hochschule übernommen. Dem Antragsteller wurden weiterhin in den Jahren 2000 - 2002 Kfz-Hilfe in Form der Kostenübernahme zur Beschaffung eines Kfz (Chrysler Voyager), für den behinderungsbedingten Umbau dieses Kfz sowie die Übernahme von Betriebskosten gewährt. Im Zeitraum 2002-2007 studierte der Antragsteller in B-Stadt. Ab Rückzug nach A-Stadt wurden vom Antragsgegner bis zum Abschluss des Studiums im April 2011 durch erfolgreiche Ablegung der Diplomprüfung weiter die Kosten für den Betrieb und die Instandhaltung des Kfz bzw. die Kosten für einen Mietwagen übernommen.

Am 30.03.2014 beantragte der Antragsteller die Weitergewährung der Kfz-Hilfe durch Übernahme der Kosten des Betriebs und der Instandhaltung für den im Februar 2014 angeschafften PKW VW Caravelle. Er benötige den PKW für Fahrten im Rahmen der Promotion, für Fahrten zu Kongressen etc., zu Bibliotheken, zu kulturellen Veranstaltungen, zu den Eltern und Verwandten sowie zu Aktionen, die im Rahmen behindertenpolitischer Aktionen stattfinden würden.

Der Antrag wurde mit Bescheid vom 12.08.2014 abgelehnt.

Der Widerspruch hiergegen wurde mit Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 02.04.2015 als unbegründet zurückgewiesen. Die Berufsausbildung sei durch den erfolgreichen Abschluss des Hochschulstudiums mit dem Titel Diplom-Kommunikationswirt beendet. Eine Promotion sei nicht mehr Teil dieser Ausbildung sondern selbständige wissenschaftliche Tätigkeit. Für die weiter angegebenen Nutzungszwecke des Pkw (Besuch von Eltern/Verwandten sowie kulturellen Veranstaltungen) sei der Antragsteller nicht regelmäßig auf die Benutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen. Der Antragsteller könne öffentliche Verkehrsmittel nutzen. Darüber hinaus bestehe die Möglichkeit einer Inanspruchnahme von Fahrdiensten, die sich auf die Beförderung behinderter Menschen spezialisiert haben.

Über die Klage hiergegen zum Sozialgericht München (SG) mit dem Aktenzeichen S 54 SO 257/15 ist bislang nicht entschieden.

Am 29.08.2016 hat der Antragsteller das SG angerufen und beantragt:

1. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, gegenüber dem Antragsteller vorläufig die Kosten für die Reparatur seines Kfz zu übernehmen sowie die Gewährung von Hilfen für den Betrieb des Kfz.

2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Antragsteller strebe an der Universität in W-Stadt eine Promotion an. Dazu müsse er regelmäßig von A-Stadt nach W-Stadt reisen. Hierfür nutze er einen VW T5, der in seinem Eigentum stehen und von seinen Assistenten gefahren werde. Gegenwärtig seien dringende Reparaturarbeiten (Bremse, Zahnriemen) erforderlich, die Kosten würden sich nach einem Kostenvoranschlag vom 29.07.2016 auf 2.631,83 EUR belaufen. Bislang habe der Antragsteller die notwendigen Ausgaben über ein Darlehen finanzie...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge