Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Interessenabwägung. Einstweilige Anordnung. Umdeutung. Anordnungsgrund. Leistungen für die Vergangenheit. Nachholbedarf
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der vorläufigen Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch
Normenkette
SGG § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 2; SGB II §§ 7, 39 Nr. 1
Tenor
1. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 14.04.2010 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Streitig zwischen den Beteiligten ist die vorläufige Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Antragsteller (ASt) für die Zeit vom 01.09.2009 bis 30.06.2010.
Der 1990 geborene ASt stand seit 2008 im Leistungsbezug bei der Antragsgegnerin (Ag). Letztmalig mit Bescheid vom 08.07.2009 bewilligte die Ag dem ASt für die Zeit vom 01.07.2009 bis 31.12.2009 Kosten der Unterkunft (KdU) i.H.v. monatlich 167,37 Euro.
Mit Bescheid vom 01.09.2009 hob die Ag die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld II (Alg II) ab 01.09.2009 ganz auf. Die Bedarfsermittlung habe ergeben, der Anspruch des ASt bei der Ag sei geringer sein als der beim Wohnungsamt. Da dieser Wohngeldanspruch vorrangig sei, bestünde ab dem 01.09.2009 kein Anspruch gegen die Ag mehr. Den hiergegen eingelegten Widerspruch vom 04.09.2009 wies die Ag mit Widerspruchsbescheid vom 30.09.2009 zurück. Die hiergegen erhobene Klage (S 13 AS 1357/09) wies das Sozialgericht Nürnberg (SG) mit Urteil vom 23.06.2010 zurück. Gegen dieses Urteil hat der ASt am 02.08.2010 Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt.
Einen weiteren Antrag auf Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II vom 30.09.2009 wies die Ag mit Bescheid vom 04.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.12.2009 zurück. Einen am 10.12.2009 erneut gestellten Antrag auf Alg II lehnte die Ag mit Bescheid vom 15.12.2009 ab, den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Ag mit Widerspruchsbescheid vom 11.01.2010 zurück. Die hiergegen zum SG erhobenen Klagen verband das SG mit Beschluss vom 20.04.2010 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung mit dem Verfahren S 13 AS 1357/09 und wies die Klagen mit Urteil vom 23.06.2010 auch insoweit ab. Auch hiergegen hat der ASt am 02.08.2010 Berufung zum LSG eingelegt.
Am 11.02.2010 hat der ASt die Gewährung von Grundsicherung i.H.v. 167,37 Euro im Wege der einstweiligen Anordnung, wie sie im Bescheid vom 08.07.2009 bewilligt worden war, beantragt. Ohne eine solche Regelung entstünden ihm schwere und unzumutbare, später nicht mehr gut zu machende Nachteile.
Mit Beschluss vom 14.04.2010 hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 04.09.2009 anzuordnen, gehe ins Leere, da bereits ein Widerspruchsbescheid vorliege. Das Begehren könne auch nicht in einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage umgedeutet werden, da eine derartige Umdeutung nicht zielführend wäre, denn durch den aufgehobenen Bescheid vom 08.07.2009 seien Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts lediglich für den Zeitraum bis 31.12.2009 bewilligt worden und bei der Anordnung der aufschiebenden Wirkung durch einen Beschluss des SG werde die aufschiebende Wirkung erst ab Beschlusserlass angeordnet. Die Folge wäre auch dann, dass Leistungen vorläufig nicht erbracht werden könnten. Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei zwar zulässig aber unbegründet. Der ASt gehöre zur Bedarfsgemeinschaft seines Vaters A. (J). Der monatliche Bedarf des ASt i.H.v. 536,50 Euro sei durch dessen Einkommen i.H.v. 501.- Euro, bzw. 601.- Euro gedeckt. Soweit die Mutter des ASt Unterhalt i.H.v. 150.- Euro zahle, sei der Bedarf jedenfalls gedeckt, soweit diese - wie der ASt nunmehr behaupte - lediglich 50.- Euro zahle, sei der Bedarf des ASt lediglich um 35,50 Euro unterdeckt. Auch für diesen Fall erscheine der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht nötig.
Hiergegen hat der ASt Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt und zuletzt beantragt, den Beschluss des SG B-Stadt vom 14.04.2010 - S 13 AS 188/10 ER - zu ändern und die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des ASt vom 04.09.2009 gegen den Aufhebungsbescheid der Ag vom 01.09.2009 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 30.09.2009 sowie deren Bescheide vom 04.11.2009 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2009 nebst deren Bescheides vom 15.12.2009 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 11.01.2010 anzuordnen und die Ag im Wege der Regelungsanordnung zu verpflichten, dem ASt Grundsicherung, also vollen Regelsatz - ohne Unterkunftskosten - unter Berücksichtigung von Kindergeld, Unterhalt der Mutter und Versicherungspauschale für den Zeitraum vom 01.09.2009 bis 30.06.2010 vorläufig zu leisten. Ab ...