Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei einem als sog. Subunternehmer in einer Baufirma Tätigen
Leitsatz (amtlich)
Unterlassene Beteiligung Betroffener im Verwaltungsverfahren ist im Eilverfahren bezüglich der Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Bescheids bzgl. einer Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen im Regelfall unbeachtlich.
Orientierungssatz
1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn die Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis unter einer Weisungsgebundenheit verrichtet wird und eine Eingliederung in einen fremden Betrieb vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
2. Ist ein als sog. Subunternehmer für eine Baufirma Tätiger in die Arbeitsorganisation seines Auftraggebers eingebunden, hat er ein unternehmerisches Risiko nicht zu tragen und treffen auf ihn nahezu alle Merkmale eines als Arbeitnehmer Beschäftigten zu, so ist es für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung unschädlich, wenn er selbst ein Gewerbe angemeldet hat. Dieses erfolgte erkennbar zu dem Zweck, um sich dem deutschen Arbeitsmarkt möglichst ohne lohnkostenerhöhende Sozialversicherung zur Verfügung zu stellen.
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 01. Oktober 2021 wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller und Beschwerdeführer trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird festgesetzt auf 16.637,96 Euro.
Gründe
I.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Bf) wendet sich im Wege des Eilverfahrens gegen einen Beitragsnachforderungsbescheid der Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin (Bg) iHv 66.551,83 Euro (inklusive Säumniszuschläge von 10.109,50 Euro).
Der Bf betreibt eine Trockenbaufirma als Einzelunternehmer. Zur Erfüllung seiner Aufträge setzt der Bf regelmäßig weitere Personen ("Subunternehmer") ein.
Nachdem der Bf mit Urteil vom 24.04.2019 vom Amtsgericht B wegen unterlassener Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen für die für ihn tätigen Auftragnehmer (nach ausführlicher mündlicher Verhandlung mit Einvernahme des Bf und anschließender Einräumung des subjektiven und objektiven Tatvorwurfs durch den Bf) strafrechtlich verurteilt worden war, erhielt der Bf für den dem Strafverfahren zugrundeliegenden Sachverhaltskomplex einen entsprechenden Nachforderungsbescheid mit Datum vom 29.07.2019.
Die Bg ging Anfang des Jahres 2020 mittels einer Betriebsprüfung dem Vorliegen weiterer sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse bezüglich 19 verschiedener Auftragnehmer in der Zeit vom 01.07.2016 bis 31.12.2019 nach. Mit Bescheid vom 08.07.2021 erließ die Bg einen Beitragsnachforderungsbescheid iHv 66.551,83 Euro, inklusive Säumniszuschläge für die Beitragssäumnis ab Oktober 2019 iHv 10.109,50 Euro.
Die Anmeldung eines Gewerbes durch die Auftragnehmer könne keine selbständige Tätigkeit begründen. Es fehle bei jedem der Auftragnehmer, die als Einzelpersonen tätig waren, an einer Unternehmensstruktur. Zu keinem der Auftragnehmer habe eine Betriebsnummer, ein Auftreten am Markt oder ein Internetauftritt ermittelt werden können. Die von den Auftragnehmern vorgelegten Rechnungen enthielten nur pauschale Beträge, ohne auch nur ansatzweise für Subunternehmen typische Posten auszuweisen, wie zB eingesetztes Material oder Werkzeug. Die Auftragnehmer hätten letztlich nur ihre Arbeitskraft eingesetzt und klassische Trockenbauarbeiten und Abrissarbeiten ohne Unterschied zur Tätigkeit festangestellter Mitarbeiter verrichtet.
Säumniszuschläge würden ab Oktober 2019 erhoben; zumindest zu diesem Zeitpunkt läge keine unverschuldete Unkenntnis des Bf von der Beitragspflicht seiner Auftragnehmer vor, da der Bf im April 2019 in ähnlicher Angelegenheit rechtskräftig verurteilt worden sei und hierzu einen vergleichbaren Nachforderungsbescheid mit Datum vom 29.07.2019 erhalten habe.
Hiergegen erhob der Bf am 19.07.2021 Widerspruch, über den bislang noch nicht entschieden ist.
Am 19.08.2021 stellte der Bf beim Sozialgericht Augsburg Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs vom 19.07.2021. Zur Begründung verwies er darauf, dass die Arbeitnehmer zum Teil weitere Auftraggeber gehabt hätten und übersandte hierzu Rechnungen einiger betroffener Auftragnehmer an rumänische Baufirmen. Der Bf könne im Übrigen allenfalls anteilig zu Beiträgen herangezogen werden, nicht für die gesamte Tätigkeit seiner Auftragnehmer.
Mit weiteren Schreiben vom 29.09.2021 verwies der Bf auf ein anderes vor dem Sozialgericht Augsburg anhängiges Verfahren mit Az S 17 BA 46/21 betreffend einen vergleichbaren Sachverhalt und machte für das Eilverfahren gleichermaßen geltend, dass seine Subunternehmer unternehmerisches ...