Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Prozesskostenhilfe. maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse. Einsatz von Vermögen. hier: Krankengeldnachzahlung
Leitsatz (amtlich)
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung der wirtschaftlichen Verhältnisse.
Orientierungssatz
Zur Berücksichtigung einer Nachzahlung von rückständigem Krankengeld im Rahmen des § 115 Abs 3 ZPO.
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen Ziffer III des Beschlusses des Sozialgerichts Nürnberg vom 21.07.2010 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Antragstellerin (ASt) begehrt Prozesskostenhilfe (PKH) für ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Sozialgericht Nürnberg (SG), in dem die Bewilligung laufender Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) streitig waren.
Am 10.05.2010 beantragte die ASt erstmals bei der Antragsgegnerin (Ag) schriftlich die Bewilligung von Alg II. Sie befinde sich seit April 2009 im Krankenstand und sei nicht in der Lage die Räumlichkeiten der Ag aufzusuchen. Sie leide unter Agoraphobie und sei außer Stande, ihr gewohntes Umfeld zu verlassen. Sie lebe mit einer Freundin zusammen in einer Wohngemeinschaft. Für die 95 m² große Wohnung sei ein Mietzins von 700.- € (einschließlich 35.- € Garagenmiete), kalte Nebenkosten in Höhe von 145.- € sowie Heizkosten in Höhe von 100.- € monatlich zu entrichten. Die Kosten würden hälftig geteilt. Krankengeld habe sie bis 18.01.2010 in Höhe von 984,30 € monatlich bezogen, jedoch habe die Krankenkasse die Zahlungen eingestellt. Das Sozialgericht Nürnberg (SG) habe es abgelehnt, die Krankenkasse im Rahmen eines Eilverfahrens (S 9 KR 180/10 ER) zur vorläufigen Erbringung von Leistungen zu verpflichten.
Bereits am 21.06.2010 hat die ASt beim SG beantragt, die Ag im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 359.- € nebst Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 422,50 € zu erbringen. Zudem hat sie die Bewilligung von PKH und die Beiordnung ihres Bevollmächtigten beantragt. Die Krankengeldzahlungen seien seit 18.01.2010 eingestellt. Mit der Aussicht auf die Nachzahlung des Krankengeldes und einem Darlehen ihrer Großmutter (1.400.- €) habe sie die Zeit seit Januar 2010 zwar überbrücken können, jedoch habe sie keinerlei Einkünfte, so dass ihre finanziellen Reserven zwischenzeitlich erschöpft seien. Zudem sei sie durch die Einstellung der Krankengeldzahlungen nicht krankenversichert.
Dem hat die Ag entgegengehalten, die ASt habe vorrangig Leistungen anderer Leistungsträger in Anspruch zu nehmen, um ihre Bedürftigkeit zu vermeiden. Insbesondere sei ihr nach der Entscheidung des SG zuzumuten, an der von der Krankenkasse geforderten Untersuchung teilzunehmen, denn die Zahlung des Krankengeldes werde nur wegen der fehlenden Mitwirkung der ASt verweigert. Zudem sei die ASt nicht bedürftig, denn es gebe erhebliche Anhaltspunkte, dass die ASt und ihre Mitbewohnerin als Einstandsgemeinschaft anzusehen seien. Die beiden wirtschafteten miteinander und die Einkünfte der Mitbewohnerin würden auf das Konto der ASt überwiesen, über das beide verfügen könnten. Zuletzt seien nach den vorliegenden Kontoauszügen die Einkommens- und Vermögensverhältnisse noch völlig ungeklärt. Die ASt verfüge über ein Bausparguthaben und insbesondere aus den Kontoauszügen ergäben sich Mieteinnahmen.
Mit Beschluss vom 21.07.2010 hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Ein Anordnungsanspruch sei nicht glaubhaft gemacht. Zum einen sei die ASt verpflichtet, vorrangig Leistungsansprüche gegen andere Leistungsträger durchzusetzen, wobei es an ihr selbst liege, durch zumutbare Mitwirkungshandlungen ihre Ansprüche gegenüber der Krankenkasse zu verwirklichen. Zum anderen sei die ASt nicht bedürftig. Nach summarischer Prüfung sei davon auszugehen, sie lebe in Bedarfsgemeinschaft mit ihrer Mitbewohnerin, die über ein hinreichendes Einkommen verfüge, um den in der Einstandsgemeinschaft bestehenden Bedarf zu decken. Zudem verfüge die ASt selbst über Mieteinkünfte. Mit dem Beschluss vom 21.07.2010 (Ziffer III des Tenors) hat das SG auch die Gewährung von PKH abgelehnt.
Gegen den Beschluss hat die ASt insgesamt Beschwerde beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Es bestehe keine Einstandsgemeinschaft zwischen ihr und ihrer Mitbewohnerin. Die gemeinsame Nutzung einer Kontoverbindung sei vorübergehender Natur gewesen und habe lediglich dem Zweck gedient, die Zahlung der Miete sicher zu stellen. Allein ein gelegentliches gemeinsames Kochen lasse nicht auf einen gegenseitigen Einstandswillen schließen.
Die Beschwerde in Bezug auf die einstweilige Anordnung (L 11 AS 587/10 B ER) hat die ASt am 13.09.2010 für erledigt erklärt, nachdem ihr durch die Krankenkasse - ohne Erteilung eines Bescheides - rückständige Leistungen in Höhe von 6.000.- € nachgezahlt worden waren.
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