Leitsatz (amtlich)

Für die Ablehnung eines Sachverständigen reicht nicht, dass er früher als gerichtlicher Sachverständiger eine ungünstige Stellungnahme abgegeben hat.

 

Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 29.10.2010 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Besorgnis der Befangenheit gegenüber dem Sachverständigen Dr. L. besteht.

Die 1952 geborene Klägerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden Bf), bei der mit Abhilfebescheid vom 27.05.2010 ein Grad der Behinderung (GdB) von 40 festgestellt ist, begehrt im Klageverfahren vor dem Sozialgericht München die Feststellung eines GdB

von 50. Der Beklagte hatte dies mit Bescheid vom 07.04.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.07.2010 abgelehnt.

Das Sozialgericht hat aktuelle Befundberichte eingeholt und mit Beweisanordnung vom 11.10.2010 den Chirurgen Dr. L. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Mit Schreiben vom 21.10.2010 hat sich die Bf gegen den Gutachtensauftrag gewandt und eine Begutachtung durch einen anderen Arzt begehrt. Der beauftragte Arzt habe die Bf bereits in einem früheren Sozialgerichtsverfahren untersucht und bei der Bf einen nachteiligen Eindruck hinterlassen. Er habe keine wesentlichen Untersuchungen durchgeführt und dennoch ein für sie nachteiliges Gutachten gefertigt. Der Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen Dr. L. wurde mit Beschluss vom 29.10.2002 zurückgewiesen. Es lägen keine Gründe vor, die bei einem nüchtern denkenden Beteiligten die Befürchtung rechtfertigen könnten, der Sachverständige werde sein Gutachten nicht unvoreingenommen erstatten.

Zur Begründung der hiergegen eingelegten Beschwerde hat die Bf erneut vorgebracht, dass sich der Sachverständige bei der letzten Begutachtung nur ganz kurz mit ihr unterhalten habe und keine Untersuchungen durchgeführt habe. Dennoch habe er ein detailliertes Gutachten gemacht, das er offensichtlich nur anhand der Aktenlage gefertigt habe.

II.

Die statthafte und zulässige Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG) ist unbegründet.

Nach § 118 Abs. 1 SGG sind im sozialgerichtlichen Verfahren über die Ablehnung eines Sachverständigen die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) anzuwenden. Nach §§ 406 Abs. 1 Satz 1, 42 Abs. 1 und 2 ZPO findet die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen. Der Grund, der das Misstrauen rechtfertigt, muss bei objektiver und vernünftiger Betrachtungsweise vom Standpunkt der Partei aus vorliegen. Rein subjektive Vorstellungen und Gedankengänge des Antragstellers scheiden aus (Thomas-Putzo, ZPO, 30. Aufl., § 42 Rn. 9).

Die Bf begründet die Beschwerde allein damit, der Sachverständige Dr. L. habe sie bei der letzten Begutachtung nur kurz untersucht. Ein Ablehnungsgrund ist dabei nicht ersichtlich. Die Art und Weise der Untersuchung obliegt grundsätzlich dem Sachverständigen im Rahmen seines medizinischen Ermessens.

Dass ein medizinischer Sachverständiger bereits in einem anderen Verfahren der Bf mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt war, reicht für eine Besorgnis der Befangenheit nicht aus. Dies gilt auch dann, wenn er als Sachverständiger eine ungünstige Stellungnahme abgegeben hat (vgl. auch Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9.Aufl., § 118 Rn 12k m.w.N.). Darüber hinaus obliegt im Rahmen der gemäß § 106 SGG bestehenden Aufklärungspflicht die Auswahl der Gutachter dem Gericht. Die Möglichkeit, einen Arzt des Vertrauens als Gutachter zu benennen, besteht für die Bf nach § 109 SGG.

Anhaltspunkte für eine Besorgnis der Befangenheit ergeben sich ferner nicht aus der Schilderung der früheren Untersuchungssituation. Sachliche Mängel eines Gutachtens, wie sie von der Bf vorgebracht werden, würden eine Ablehnung eines Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit nicht rechtfertigen. Eventuelle Unzulänglichkeiten treffen beide Parteien und können lediglich dazu führen, die Rechte des Prozessrechts in Anspruch zu nehmen, insbesondere ein neues Gutachten einzuholen (vgl. § 412 ZPO). Derartige Mängel eines Gutachtens können allenfalls ein Gutachten entwerten. Die inhaltliche Bewertung des Gutachtens obliegt dem entscheidenden Gericht im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) und kann nicht in ein Verfahren wegen Besorgnis der Befangenheit vorgezogen werden.

Das Sozialgericht hat damit zutreffend den Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen Dr. L. zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2708213

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