Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Verhältnis Prozesskostenhilfefestsetzung zur Kostenfestsetzung nach § 197 SGG. Wahlrecht des Rechtsanwalts. Handeln zum Nachteil der Staatskasse. Erledigungsgebühr. anwaltliche Mitwirkung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei den Kostenfestsetzungen gegenüber dem in die Kosten verurteilten Gegner und im Rahmen der PKH gegen die Staatskasse handelt es sich um zwei eigenständige Verfahren.

2. Der öffentlich-rechtliche Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse ist nicht subsidiär gegenüber Ansprüchen, die dem Rechtsanwalt für seine Tätigkeit in derselben gebührenrechtlichen Angelegenheit gegen den zur Kostentragung verpflichteten anderen Beteiligten zustehen. Das Wahlrecht des Rechtsanwalts, ob er wegen seiner Vergütung zuerst die erstattungspflichtige Gegenpartei oder zuerst die Staatskasse in Anspruch nehmen will oder beide nur zu einem Teil, ist nur ausnahmsweise beschränkt.

3. Dies ist etwa bei einem Handeln zum Nachteil der Staatskasse der Fall, welches Letztere berechtigen würde, dem beigeordneten Rechtsanwalt eine Vergütung ganz oder teilweise zu verweigern. Dass hinsichtlich der Erstattung der außergerichtlichen Kosten eine für die Staatskasse nachteilige bestandskräftige Entscheidung des SG im vorausgegangen Kostenerstattungsverfahren gem § 197 SGG vorliegt, genügt insoweit nicht.

4. Die Erledigung des Rechtsstreits durch die anwaltliche Mitwirkung setzt eine besondere Tätigkeit des Rechtsanwalts im Sinn einer qualifizierten anwaltlichen Mitwirkung bei der Erledigung des Rechtsstreits ohne gerichtliche Entscheidung voraus; der Rechtsanwalt hat die Erledigungsgebühr verdient, wenn er sich außergerichtlich um die Erledigung des Rechtsstreits bemüht und damit einen wesentlichen Beitrag zur Erledigung des Rechtsstreits geleistet hat (Fortsetzung der Rechtsprechung des Senats vom 7.2.2011 - L 15 SF 57/09 B = JurBüro 2011, 476).

 

Tenor

Auf die Beschwerde werden der Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 27. Februar 2014 sowie die Kostenfestsetzung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 7. November 2013 aufgehoben. Für das Klageverfahren Aktenzeichen S 19 SO 149/11 wird die "Erledigungsgebühr" (berichtigt mit Beschluss vom 08.06.2015) auf 190,00 EUR (zuzüglich Umsatzsteuer) festgesetzt.

 

Gründe

I.

Gegenstand des Verfahrens ist das Rechtsanwaltshonorar nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), das dem Beschwerdeführer nach Beiordnung im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) aus der Staatskasse zusteht, im Einzelnen, ob der Beschwerdeführer eine Erledigungsgebühr (in Höhe von 190,00 EUR) verlangen kann.

Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Nürnberg (SG), anfängliches Aktenzeichen S 19 SO 198/10, nach Fortsetzung S 19 SO 149/11, war zwischen den Beteiligten im Streit, ob eine Abrechnung der Heizkosten nach der Heizkostenverordnung die Voraussetzungen für eine isolierte Erfassung der Kosten der Warmwasserbereitung (Kosten für Unterkunft und Heizung - KdU) im Rahmen der Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch erfüllt. Am 26.11.2010 erhob die Klägerin über ihren Bevollmächtigten, den Beschwerdeführer, Klage und beantragte PKH. Diesem Antrag wurde mit gerichtlichem Beschluss vom 20.01.2011 entsprochen; der Beschwerdeführer wurde beigeordnet.

Im Hinblick auf das zur oben geschilderten Problematik am Bundessozialgericht (BSG) anhängige Verfahren, Aktenzeichen B 14 AS 154/10 R, ordnete die zuständige 19. Kammer des SG mit Beschluss vom 27.01.2011 das Ruhen des Verfahrens an. Mit Schriftsatz vom 26.09.2011 beantragte der Beschwerdeführer die Wiederaufnahme des Verfahrens, nachdem er unter Verweis auf das Urteil des BSG vom 07.07.2011 im oben genannten Verfahren bei der Beklagten angefragt hatte, ob sie ein Anerkenntnis abgebe. Am 17.10.2011 verlängerte das SG die Frist zur Stellungnahme für die Beklagte, die nach Wiederaufnahme des Verfahrens gesetzt worden war und verwies darauf, dass die streitgegenständliche Grundsatzfrage mit der Entscheidung des BSG abschließend beantwortet worden sei. Mit Schriftsatz vom 18.10.2011 erklärte die Beklagte, dass sie im Hinblick auf das ergangene Urteil das beantragte Anerkenntnis abgebe, mit Schriftsatz vom 03.11.2011, auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu übernehmen.

Nachdem die Beklagte die weiteren (unstreitigen) Gebühren und Auslagen bereits erstattet hatte, beantragte der Beschwerdeführer am 01.03.2012, die von der Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten (im Übrigen) wie folgt festzusetzen:

Erledigungsgebühr, Nr. 1006, 1005 VV RVG

190,00 €

19% USt, Nr. 7008 VV RVG

 36,10 €

Gesamt:

 226,10 €

Dabei verwies er auf die Entscheidung des Senats vom 07.02.2011, Aktenzeichen L 15 SF 27/09 B.

Mit Schreiben vom 07.03.2012 erklärte die Beklagte, die Erledigungsgebühr nicht anzuerkennen. Daraufhin nahm der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 02.05.2012 den Kostenfestsetzungsantrag gegen die Beklagte vom 01.03.2012 zurück. Dessen ungeachtet lehnte der Urkun...

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