Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Entschädigung eines Beteiligten. Fahrtkostenersatz. Voraussetzungen für die Erstattung von Taxikosten anlässlich einer ärztlichen Begutachtung. Zeitnot. reformatio in peius
Leitsatz (amtlich)
1. Die vollen Kosten für die Inanspruchnahme eines Taxis sind nur zu erstatten, wenn entweder eine Reise ohne Taxi mit einem in § 5 Abs 1 und 2 JVEG genannten Verkehrsmittel (öffentliches Verkehrsmittel oder eigenes bzw unentgeltlich zur Nutzung überlassenes Kraftfahrzeug) überhaupt nicht möglich oder zumutbar oder die Reise mit einem Taxi aus wirtschaftlichen Gründen angezeigt oder die Reise mit einem Taxi aus Vertrauensschutzgründen zulässig ist.
2. Die Erstattung von Kosten für ein Taxi, das ein Beteiligter aus Zeitnot in Anspruch genommen hat, um einen gerichtlich angesetzten Termin rechtzeitig wahrnehmen zu können, kommt jedenfalls bei einer selbst herbeigeführten Zeitnot nicht in Betracht. Denn von einer objektiven Notwendigkeit der Taxibenutzung kann dann nicht ausgegangen werden.
3. Bei einer entschädigungsrechtlich unzulässigen Taxibenutzung sind gem § 5 Abs 2 S 3 iVm § 5 Abs 2 S 1 Nr 1 JVEG lediglich Fahrtkosten nach der Kilometerpauschale von 0,25 EUR für die gefahrenen Kilometer zu entschädigen.
4. Das Verbot der reformatio in peius gilt bei einer gerichtlichen Festsetzung gem § 4 Abs 1 JVEG nicht.
Tenor
Die Entschädigung des Antragstellers für die Wahrnehmung des Termins zur Begutachtung am 11.12.2012 wird auf 58,50 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt eine Entschädigung wegen der Wahrnehmung eines gerichtlich angeordneten Begutachtungstermins nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG).
In dem am Bayerischen Landessozialgericht (LSG) unter dem Aktenzeichen L 6 R 173/12 geführten Rechtsstreit wurde der dortige Kläger und jetzige Antragsteller am 11.12.2012 im Rahmen einer von Amts wegen angeordneten Begutachtung vom Sachverständigen Dr. L. für den 11.12.2012, 10.00 Uhr, einbestellt. Der Antragsteller erschien mit halbstündiger Verspätung um 10.30 Uhr und wurde um 12.30 Uhr wieder entlassen.
Mit auf den 22.01.2013 datiertem Entschädigungsantrag, bei Gericht eingegangen am 28.01.2013, beantragte der Antragsteller die Entschädigung für das Erscheinen zur gutachtlichen Untersuchung am 11.12.2012.
Im Entschädigungsantrag gab der Antragsteller an, für die Fahrt nach C-Stadt zunächst zu Fuß 20 Minuten zur Bushaltestelle gegangen zu sein und dann einen Bus (von A-Stadt nach B-Stadt) und die Bahn (von B-Stadt nach C-Stadt Hauptbahnhof) benutzt zu haben. Vom Hauptbahnhof zum Gutachter sei er mit einem Taxi gefahren. Die Rückfahrt sei entsprechend erfolgt. In C-Stadt habe er für 9,60 € gegessen. Als Nachweis für die Fahrtkosten legte er drei Busfahrkarten zu je 2,95 € (zwei von A-Stadt nach B-Stadt am 10. und 11.12.2102, eine von B-Stadt nach A-Stadt am 10.12.2012), zwei Bahnfahrkarten (Einzelfahrt von B-Stadt nach C-Stadt zu 21,80 €; Bayernticket zu 24,- €, beide Fahrkarten am 10.12.2012 erworben) und zwei Taxirechnungen vom 11.12.2012 über 21,10 € und 23,10 € vor. Von zu Hause weg gewesen sei er von 6.30 Uhr bis 17.30 Uhr.
Dem Gutachten des Dr. L. ist zu entnehmen, dass der Antragsteller nach sachverständiger Einschätzung mehr als 500 Meter in 15 Minuten zurücklegen kann.
Mit Schreiben vom 28.02.2013 bewilligte der Kostenbeamte des LSG als Entschädigung Fahrtkosten für die Bahn in Höhe von 43,60 € und für den Bus in Höhe von 5,90 €. Anstelle der Taxikosten setzte er fiktive Kosten des MVV in Höhe von 5,20 € an. Zudem wurde ein Entschädigung für Aufwand in Höhe von 6,- € gewährt. Die Entschädigung betrug insgesamt 60,70 €. Die Taxikosten seien - so der Kostenbeamte - nicht erstattungsfähig, da eine Beförderung mit dem Taxi nach den Angaben des Sachverständigen nicht notwendig gewesen sei, der Richter dies später nicht genehmigt habe und die Taxibenutzung auch nicht zu einer Einsparung der Entschädigung geführt habe.
Mit Schreiben vom 12.03.2013 hat die Antragsteller "Widerspruch" gegen die Abrechnung erhoben und sich gegen die Ablehnung der Erstattung der Taxikosten gewandt. Er - so der Antragsteller - könne kaum laufen. Er habe das Taxi auch deshalb genommen, weil er sich in C-Stadt nicht so gut auskenne und der Zug mit Verspätung in C-Stadt angekommen sei. Er lege Wert auf Pünktlichkeit. Dass er drei Busfahrkarten vorgelegt habe, sei - so auf Nachfrage des Gerichts der Antragsteller im Schreiben vom 12.12.2013 - damit zu begründen, dass er am Vortag nach B-Stadt gefahren sei, um das Bahnticket für den nächsten Tag zu kaufen. Von C-Stadt zurück sei er mit einem Bayernticket gefahren; er sei kostenbewusst.
Der Hauptsacherichter hat dem Kostensenat mitgeteilt, dass eine Genehmigung der Taxifahrt mit Blick auf die Feststellungen des Sachverständigen für ihn nicht in Frage gekommen wäre.
Auf Nachfrage des Gerichts hat der Antragsteller mit Schreiben vom 19.02.2014 die angegebene Zugverspätung dahingehend präzisiert, dass der Zug am Hauptbahnho...