Entscheidungsstichwort (Thema)

sozialgerichtliches Verfahren. medizinischer Sachverständiger. Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit

 

Orientierungssatz

1. Hat ein medizinischer Sachverständiger in einem früheren gerichtlichen Verfahren als Sachverständiger gegenüber dem Kläger eine ungünstige Stellungnahme abgegeben, so stellt dies keinen Ablehnungsgrund wegen Besorgnis der Befangenheit dar.

2. Ebensowenig begründet die Tatsache, dass der Sachverständige das Gutachten für eine private Versicherung erstellt hat, einen Zweifel an dessen Unparteilichkeit. Als niedergelassener Arzt ist er von einem einzelnen Auftraggeber wirtschaftlich unabhängig und insbesondere als gerichtlicher Sachverständiger nicht zur Aufrechterhaltung einer früher geäußerten Auffassung verpflichtet.

 

Tenor

Im Beschluss des Bayer. LSG vom 23.6.2003 -- L 2 B 308/02 U -- (s. Anlage) wird die Beschwerde gegen den Beschluss des SG Würzburg vom 14.8.2002 als unbegründet zurückgewiesen. Die Besorgnis der Befangenheit gegenüber dem medizinischen Sachverständigen ist nach den Ausführungen des LSG nicht begründet, da das Verhalten des Sachverständigen nicht hat erkennen lassen, dass er die bei der Erstellung des Gutachtens zu fordernde und gebotene objektive Sichtweise verlassen werde.

Es wurde festgestellt, dass das vom medizinischen Sachverständigen bereits früher erstellte Gutachten keinen Ablehnungsgrund des Gutachters darstellt, auch wenn dieses eine für den Versicherten ungünstige Stellungnahme beinhaltet.

Auch die Tatsache, dass der medizinische Sachverständige dieses Gutachten für eine private Versicherung erstellt hat, begründet keinen Zweifel an seiner Objektivität und Unparteilichkeit.

Anlage

Beschluss des Bayer. LSG vom 23.6.2003 -- L 2 B 308/02 U --

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 14.08.2002 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. In der beim Sozialgericht Würzburg (SG) anhängigen Unfallversicherungsstreitsache des Beschwerdeführers (Bf.) gegen die Berufsgenossenschaft ... beauftragte das SG mit Beweisanordnung vom 25.06.2002 den Orthopäden Dr.H mit der Erstellung eines Gutachtens.

Mit Schreiben vom 09.07.2002 lehnte der Bevollmächtigte des Klägers Dr.H wegen Besorgnis der Befangenheit ab; Dr.H habe den Kläger schon einmal untersucht und ein falsches Gutachten erstattet, das durch das Gutachten des Dr.S vom 16.01.2001 widerlegt sei. Beigezogen wurde u.a. das Gutachten des Dr.H vom 11.01.1999, erstattet im Auftrag der D R Sachversicherungs AG wegen eines Unfalles vom 27.08.1997. Zu dem Ablehnungsgesuch nahm Dr.H am 29.07.2002 Stellung; er sei in dem Gutachten vom 11.01.1999 zu dem Ergebnis gekommen, dass die MdE mit 10 v.H. angemessen und sachgerecht bewertet sei. Die weiteren vorliegenden Gutachten von Prof.Dr.B, Dr.M Dr.E der Orthopädischen Klinik S W seien zu dem gleichen Ergebnis gekommen. Eine abweichende Stellungnahme habe nur Dr. S abgegeben. Insoweit könne Dr. H nicht nachvollziehen, warum der Prozessbevollmächtigte des Klägers behaupte, er hätte ein falsches Gutachten erstellt.

Mit Beschluss vom 14.08.2002 wies das SG den Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen Dr. H zurück. Es liege keinen Grund vor, der geeignet sei, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen, eine Befangenheit des Sachverständigen sei nicht zu befürchten. Insbesondere reiche es nicht aus, wenn ein Sachverständiger früher als gerichtlicher Sachverständiger eine ungünstige Stellungnahme abgegeben habe. Es sei nicht ersichtlich, dass Dr. H nicht zu einem anderen Ergebnis kommen könne als im früher erstellten Gutachten. Im Übrigen lägen der Gutachtenserstellung im Rahmen der privaten Unfallversicherung andere Bewertungsgrundsätze zu Grunde als in der gesetzlichen Unfallversicherung, sodass auch insoweit eine Voreingenommenheit des Sachverständigen nicht zu erwarten sei.

Mit der Beschwerde trug der Prozessbevollmächtigte des Beschwerdeführers vor, die wiederholte Berufung eines Sachverständigen lege sehr wohl die Besorgnis nah, dass sich der Sachverständige auf sein früheres Gutachten beziehen könne. Hier ergäbe sich ein starkes Indiz für eine Befangenheit. Zudem habe Dr. H in seiner Stellungnahme zum Ablehnungsgesuch eine Festlegung auf sein früheres Gutachten vorgenommen, sodass von einer Unbefangenheit keine Rede mehr sein könne.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem BayLSG zur Entscheidung vorgelegt.

Zur Ergänzung wird auf den Inhalt der Beschwerdeakte sowie die Klageakte Bezug genommen.

II.

Die gemäß §§ 172, 173 SGG zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Der Beschluss des SG vom 14.08.2002 ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Gemäß § 118 Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 406 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann ein Sachverständiger aus den selben Gründen abgelehnt werden, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen. Gemäß § 42 ZPO kann ein Richter und dem entsprechend ein Sachverständiger wegen Besorgnis der Befangenheit dann abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen geg...

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