nicht rechtskräftig
Verfahrensgang
SG Bayreuth (Entscheidung vom 19.05.2004; Aktenzeichen S 10 SB 174/03) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 19.05.2004 aufgehoben und der Klägerin für das sozialgerichtliche Verfahren antragsgemäß Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung ab 27.03.2003 bewilligt und Rechtsanwalt P. S. beigeordnet.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt die Aufhebung des ablehnenden Prozesskostenhilfe-Beschlusses vom 19.05.2004 des Sozialgerichts Bayreuth und die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) sowie die Beiordnung des Rechtsanwaltes P. S ...
In der Hauptsache streiten die Beteiligten darüber, ob bei der Klägerin eine Behinderung festzustellen ist.
Die 1983 geborene Klägerin - von Beruf angelernte Fabrikarbeiterin - beantragte am 17.04.2002 die Feststellung von Behinderungen (Gonarthrose links, Zustand nach Unfall mit Binnenschaden und Hüftgelenksleiden links). Der Beklagte zog Behandlungsunterlagen der Klägerin bei. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr.E. bewertete in ihrer Stellungnahme nach Aktenlage vom 12.06.2002 "Knorpelschäden am Kniegelenk" mit einem Einzel-Grad der Behinderung (GdB) von 10. Der Beklagte lehnte die Feststellung einer Behinderung mit Bescheid vom 14.06.2002 mit der Begründung ab, es lägen zwar Knorpelschäden am Kniegelenk vor, der dadurch bedingte GdB betrage jedoch nicht wenigstens 20. Ein Hüftleiden könne nicht berücksichtigt werden, da die beigezogenen Unterlagen dieses Leiden nicht dokumentierten. Der Widerspruch war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 26.02.2003).
Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Bayreuth hat die Klägerin die Feststellung eines GdB von 25 bis 30 begehrt und unter Vorlage einer Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Bewilligung von PKH beantragt.
Das Sozialgericht hat die Gewährung von PKH mit Beschluss vom 19.05.2004 abgelehnt. Es hat die Beiordnung eines Bevollmächtigten nicht für erforderlich gehalten, weil nur medizinische Fragen ohne jegliche Kausalitätsproblematik und keine Auswirkungen der Gesundheitsstörungen im (angestrebten) Beruf zu beurteilen seien. Relevant seien lediglich Funktionseinschränkungen, da Schmerzen in die Tabellen der Anhaltspunkte (AHP) 1996 bereits eingearbeitet seien. Zur Führung eines Schwerbehindertenverfahrens sei die Beauftragung eines Rechtsanwalts schon aufgrund seiner Ausbildung nicht erforderlich, zumal das Gericht von Amts wegen gemäß § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Verfahren zu führen habe. Der Gesetzgeber habe deshalb in der vor den Sozialgerichten geltenden Prozessordnung auch keinen Anwaltszwang vorgesehen. Nach derzeitigem Akten- und Kenntnisstand biete die beabsichtigte Rechtsverfolgung auch keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Es hat seine Ansicht mit Funktionswerten des linken Kniegelenkes der Klägerin begründet, die es dem in dem Unfallverfahren S 2 U 31/02 des Sozialgerichts Bayreuth vorgelegten Gutachten des Dr.T. entnommen hat. Die Funktionseinschränkung bedinge lediglich einen GdB von 10. Es fehle auch an der Erforderlichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwaltes, weil auch ein GdB von 20 der Klägerin keinerlei Vorteile steuerlicher oder arbeitsrechtlicher Art bringen würde.
Gegen diesen Beschluss hat der Bevollmächtigte der Klägerin Beschwerde eingelegt und vorgetragen, es sei eine anwaltschaftliche Vertretung der Klägerin dann geboten, wenn das Gericht und die Gegenseite - wie hier - von unrichtigten Voraussetzungen ausgingen, die zu einer falschen Entscheidung führen könnten und deshalb in der gebotenen Weise darauf hingewirkt werden müsse, den Sachverhalt und die ärztlichen Feststellungen zu berichtigen, womit die Klägerin überfordert wäre. Er hat ein Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr.T. vom 04.01.2004 vorgelegt, wonach die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) für unfallbedingte Schäden am linken Kniegelenk mit 20 vH zu bewerten sei.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
Die Beschwerde der Klägerin ist gemäß § 172 Abs 1 SGG statthaft, und da sie form- und fristgerecht eingelegt worden ist (§ 173 SGG), im Übrigen zulässig. Das Rechtsmittel erweist sich auch als begründet. Die Voraussetzungen für die Gewährung von PKH sind nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats erfüllt (vgl z.B. Beschluss des Senats vom 03.01.2001 E- LSG B - 201 = Behindertenrecht 2001, 107 = ASR 2001, 33). Der Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes und ist mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht vereinbar.
Die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) über die PKH gelten (im Sozialgerichtsrechtsstreit) entsprechend (§ 73 a SGG). Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 114 ...