Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Rechtsschutz. bestandskräftiger Verwaltungsakt. Überprüfungsantrag nach § 44 SGB 10 für die Vergangenheit. Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Nachrang des Darlehen für Mietschulden
Leitsatz (amtlich)
1. Bei einer bindenden Hauptsacheentscheidung ist ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz unzulässig. Es gibt dann keine Rechtsposition, die bis zur bindenden Hauptsacheentscheidung vorläufig gesichert werden könnte.
2. Wenn ein Überprüfungsantrag nach § 44 SGB 10 bei der Behörde gestellt wurde und der Behörde unter Darlegung und ggf Glaubhaftmachung der Dringlichkeit der Überprüfung eine ausreichende Bearbeitungsfrist eingeräumt wurde, kann ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wieder zulässig werden. Beim Gericht kann ein Überprüfungsantrag nicht gestellt werden, weil ein Gericht keine Stelle nach § 16 SGB 1 ist.
3. An den Anordnungsgrund sind besonders strenge Anforderungen zu stellen, weil das Unterlassen eines rechtzeitigen Rechtsbehelfs trotz Rechtsbehelfsbelehrung gegen eine Eilbedürftigkeit spricht. Zu beachten ist ferner, dass für die Vergangenheit, also die Zeit vor Anhängigkeit des Eilverfahrens, im vorläufigen Rechtsschutz ohnehin kein finanzieller Ausgleich erbracht wird, sofern keine fortwirkende Notlage besteht.
4. Der Anspruch auf Mietschulden nach § 22 Abs 5 SGB 2 ist nachrangig zum Anspruch auf Übernahme der Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs 1 SGB 2. Dies gilt auch wenn zeitgleich ein Überprüfungsantrag für die Vergangenheit und ein Antrag auf Mietschuldenübernahme gestellt wird.
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 16. Juli 2010 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Streitig ist im Beschwerdeverfahren die Übernahme weiterer Kosten für die Unterkunft für Zeiträume, für die bestandskräftige Bewilligungsbescheide vorliegen und ein Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X abgelehnt wurde sowie hilfsweise die Übernahme von Mietschulden als Darlehen.
Der 1953 geborene Antragsteller erhält von der Antragsgegnerin seit November 2005 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Der Antragsteller bewohnt eine Wohnung mit einer Fläche von circa 60 qm, einer Kaltmiete von 550,- Euro, Heizkosten von 50,- Euro (ab Mai 2009 95,71 Euro) und Nebenkosten von 100,- Euro monatlich. Zu Beginn des Leistungsbezuges lebten auch der 1980 geborene Sohn D und die 1988 geborene Tochter N im Haushalt des Antragstellers.
Zunächst wurden zwei Drittel der Kosten der Unterkunft für den Antragsteller und die Tochter N als Bedarf anerkannt. Der Sohn war wegen seines Lebensalters nicht Mitglied der Bedarfsgemeinschaft. Ende 2007 zog der Sohn nach E.. Die Antragsgegnerin legte daraufhin der Bewilligung für den Antragsteller und seine Tochter die vollen Unterkunftskosten als Bedarf zugrunde; Kindergeld und Erwerbseinkommen wurden auf den Anspruch der Tochter angerechnet (Bescheid vom 16.01.2008). Ab Juni 2008 kam es zwischen den Beteiligten zu unterschiedlichen Auffassungen darüber, ob die Tochter noch in der Wohnung lebte oder ausgezogen war. Die Antragsgegnerin bewilligte daraufhin nur mehr für den Antragsteller Leistungen, wobei nur mehr die Hälfte der Unterkunftskosten als Bedarf anerkannt wurde (Bescheid vom 05.06.2008).
Mit Schreiben vom 27./28.08.2009 beantragte der Antragsteller die Überprüfung der vergangenen Leistungen ab Juni 2008 wegen den Kosten der Unterkunft. Er habe jetzt eine Kündigung des Vermieters erhalten. Hierauf forderte die Antragsgegnerin erneut Nachweise zum Aufenthalt der Tochter.
Am 23.09.2009 sprach der Antragsteller bei der Antragsgegnerin wegen der Übernahme von Mietschulden vor. Ihm wurde erklärt, dass dies nicht möglich sei, weil die Wohnung zu teuer sei und der Mietrückstand von 12.000,- Euro zu hoch sei.
Mit Bescheid vom 14.12.2009 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf Übernahme der vollen Miete ab dem Umzug der Tochter ab. Über den Widerspruch des Antragstellers vom 11.01.2010 ist noch nicht entschieden. Am 17.04.2010 hat der Antragsteller eine Klage zum Sozialgericht erhoben auf Nachzahlung der zu wenig bezahlten Miete (Az. S 22 AS 1106/10).
Am 22.04.2010 erfolgte ein Hausbesuch. Mit Bescheid vom 03.05.2010 wurden ab 01.06.2010 bis wohl 30.11.2010 die vollen Kosten der Unterkunft (monatlich 747,71 Euro) anerkannt.
Am 05.05.2010 stellte der Antragsteller beim Sozialgericht München einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Er begehre die volle Miete ab sofort und die Nachzahlung der in der Vergangenheit zu Unrecht verweigerten Miete, ggf. in Form eines Darlehens.
Mit Änderungsbescheid vom 17.05.2010 wurde auch für die Zeit ab 22.04.2010 Kosten der Unterkunft in Höhe von 747,71 Euro monatlich anerkannt. Mit Beschluss vom 28.06.2010 lehnte das Sozialgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Aufgrund des Änderungsbescheids vom 17.05.2010 würden die vollen Unterkunftskosten übernommen und der Anordnungsanspruch sei erfüllt. De...