Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende: Frist zur Neuermittlung des Regelsatzes bei neuen Ergebnissen aus einer Einkommens- und Verbrauchsstichprobe

 

Leitsatz (amtlich)

§ 28 SGB XII enthält keine Umsetzungsfrist. Der Gesetzgeber muss den das Existenzminimum sichernden Leistungsanspruch fortwährend überprüfen (BVerfGE 125, 175 m.w.N.). Die Ergebnisse einer neuen EVS müssen zeitnah berücksichtigt werden.

 

Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 18. Februar 2016 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten ist in einem Klageverfahren vor dem Sozialgericht München die Gewährung eines höheren Regelbedarfs nach § 22 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit von Januar bis März 2016 streitig.

Die 1981 geborene Klägerin zu 1 lebt zusammen mit ihrer 2008 geborenen Tochter, der Klägerin zu 3, in einer Bedarfsgemeinschaft. Die 2002 geborene Klägerin zu 2 ist, nach den Angaben des Beklagten, seit dem 01.12.2015 nicht mehr Mitglied der Bedarfsgemeinschaft.

Mit Änderungsbescheid vom 26.11.2015 wurden der Klägerin zu 1 und zu 3 Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum 01.10.2015 bis 31.03.2016 bewilligt. Mit weiterem Änderungsbescheid vom 29.11.2015 wurden die Leistungen für Januar bis März 2016 neu berechnet, da der Regelbedarf zum 01.01.2016 neu festgesetzt wurde und sich die Höhe des Kindergeldes geändert habe. Für die Klägerin zu 1 wurde der Berechnung der Leistungen ein Regelbedarf in Höhe von 404 € (§ 20 SGB II) zu Grunde gelegt und für die Klägerin zu 3 ein Regelbedarf-Sozialgeld in Höhe von 270 € (§ 19 i.V.m. § 23 SGB II).

Gegen den Änderungsbescheid vom 29.11.2015 legte der Bevollmächtigte der Klägerinnen für alle drei Klägerinnen Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 12.01.2016 zurückgewiesen wurde. Der Widerspruch sei nicht begründet worden, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides sei nicht erkennbar. Bei dem Bescheid handle es sich um einen von der Zentrale automatisch übersandten Änderungsbescheid aufgrund der Erhöhung der Regelbedarfe ab dem 01.01.2016.

Mit Schreiben vom 01.02.2016 erhob der Prozessbevollmächtigte ausdrücklich im Namen der drei Klägerinnen Klage zum Sozialgericht München und beantragte den Bescheid vom 29.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2016 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den Klägern die ihnen nach den gesetzlichen Bestimmungen des SGB II zustehenden Leistungen zu bewilligen. Zur Begründung wurde vorgetragen, dass die Regelsatzerhöhung zum 01.01.2016 nicht gesetzeskonform sei und dem Grunde nach verfassungswidrig. Die Bundesregierung habe die Regelsätze auf der Basis der Einkommens- und Verbrauchsstatistik 2008 (EVS 2008) fortgeschrieben. Die Regel-sätze hätten allerdings anhand der EVS 2013 grundlegend neu berechnet werden müssen. Die EVS 2013 sei am 10.09.2015 vom statistischen Bundesamt veröffentlicht worden. Das Bundesverfassungsgericht habe den Gesetzgeber verpflichtet die Entwicklung der Strompreise zeitnah anzupassen. Zugleich beantragte der Bevollmächtigte der Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

Mit Beschluss vom 18.02.2016 lehnte das Sozialgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab, da der Rechtsstreit keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe.

Gegen diesen Beschluss hat der Bevollmächtigte am 24.03.2016 Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt und zur Begründung der Beschwerde die Klagebegründung wiederholt.

Nach Aufforderung bezifferte der Bevollmächtigte der Klägerinnen seinen Antrag. Der Streitgegenstand betreffe den Zeitraum Januar bis März 2016. Der Beschwerdewert betrage 1170 €. Als zusätzlichen Regelbedarf würden monatlich pro Klägerin 130 € geltend gemacht.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 13.07.2016 wurde der Bevollmächtigte der Klägerinnen darauf hingewiesen, dass der angegriffene Bescheid lediglich gegenüber den Klägerinnen zu 1 und zu 3 ergangen sei. Außerdem wurde er gebeten die zur Ermittlung des Streitwerts angegebenen Beträge näher zu erläutern, da nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) in die Berechnung des Beschwerdewertes solche Begehren nicht mit eingehen würden, die ohne erkennbaren Grund verfolgt würden. Eine weitere Äußerung des Bevollmächtigten der Klägerinnen ist ausgeblieben.

Der Beklagte hat zur Erwiderung auf die den erstinstanzlichen Beschluss tragenden Gründe verwiesen und beantragt die Beschwerde zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf die beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Auch wenn der Senat Zweifel hat, dass der Bevollmächtigte der Klägerinnen seinen Antrag nicht vor dem Hintergrund des Erreichens des Beschwerdewertes gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG mit 1170 € beziffert hat, da er trotz Aufforderung nicht erläuter...

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