Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren: Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes

 

Leitsatz (amtlich)

In der Regel kein Anordnungsgrund für Leistungen in Bezug auf die Vergangenheit im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes.

 

Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 31.03.2016 - S 5 AS 319/16 ER - wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Streitig sind zuletzt noch Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für April 2016.

Der Antragsteller (ASt) bezog vom Antragsgegner (Ag) Alg II. Am 15.02.2016 hat er eine Beschäftigung bei der Firma D. Haus- und Gebäudetechnik aufgenommen. Ausweislich des Arbeitsvertrages vom 22.02.2016 beträgt das Gehalt 3.400 € brutto pro Monat. Über den Auszahlungszeitpunkt enthält der Vertrag keine Regelung.

Am 21.03.2016 hat der ASt beim Sozialgericht Nürnberg (SG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung dahingehend beantragt, den Ag zur Leistungserbringung für das zweite und dritte Quartal 2016, mindestens jedoch für die Monate April und Mai 2016, zu verpflichten. Er habe bereits mehrfach Anträge auf Weiterbewilligung gestellt. Durch größere Ausgaben würde in den Monaten März und April 2016 das Nettogehalt fast vollständig aufgezehrt. Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 31.03.2016 - S 5 AS 319/16 ER - abgelehnt. Eine Hilfebedürftigkeit sei nicht ersichtlich. Der ASt könne seinen Bedarf mit dem Nettogehalt von 2.119,36 € decken. Vor dem Tätigen größerer Ausgaben habe er seine Grundbedürfnisse zu befriedigen.

Dagegen hat der ASt Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht erhoben und zuletzt noch Alg II iHv 686,90 € für April 2016 begehrt. Ihm seien im April 2016 keinerlei Geldmittel zugeflossen. Dies sei vielmehr erst zu Beginn des Folgemonats der Fall gewesen, weshalb ein Einsatz der Mittel für April 2016 nicht möglich gewesen sei.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG), aber nicht begründet. Das SG hat zu Recht den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt.

Auch wenn der ASt zuletzt nur noch Alg II iHv 686,90 € für April 2016 begehrt, ist seine Beschwerde zulässig. Ein Ausschluss der Beschwerde nach § 172 Abs 3 Nr 1 SGG liegt nicht vor, da die Berufung in der Hauptsache nicht der Zulassung bedurft hätte. Die Einlegung der Beschwerde erfolgte zunächst ohne Beschränkung, so dass eine Beschwer im Hinblick auf Alg II für das "zweite und dritte Quartal 2016" vorgelegen hat, welches beim SG beantragt und von diesem abgelehnt worden war. Für die Ermittlung der maßgeblichen Beschwer kommt es entscheidend auf den Zeitpunkt der Beschwerdeeinlegung an. Eine spätere Beschränkung - wie vorliegend - führt nicht zur nachträglichen Unzulässigkeit (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, vor § 143 Rn 10b).

Rechtsgrundlage für die Gewährung des diesbezüglichen vorläufigen Rechtsschutzes stellt § 86b Abs 2 Satz 2 SGG dar, da der geltend gemachte Rechtsanspruch in der Hauptsache mittels einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage geltend zu machen ist. Insoweit ist eine Regelung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann der Fall, wenn dem ASt ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1998 - BVerfGE 79, 69 (74); vom 19.10.1997 - BVerfGE 46, 166 (179) und vom 22.11.2002 - NJW 2003, 1236; Niesel/Herold-Tews, Der Sozialgerichtsprozess, 5. Aufl, Rn 652). Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und das Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den der ASt sein Begehren stützt - voraus. Die Angaben hierzu hat der ASt glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 2 und 4 SGG iVm § 920 Abs 2, § 294 ZPO; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 86b Rn 41).

Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage im vom BVerfG vorgegebenen Umfang (BVerfG vom 12.05.2005 - Breithaupt 2005, 803 = NVwZ 2005, 927, NDV-RD 2005, 59) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.

Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Be...

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