Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter. Unterbringung in stationärer Einrichtung. Einkommenseinsatz

 

Orientierungssatz

1. § 35 Abs 1 SGB 12 bestimmt den notwendigen Lebensunterhalt (Bedarfsseite), während § 82 Abs 4 SGB 12 die Frage der Einkommensanrechnung betrifft, so dass aus § 35 Abs 1 S 2 SGB 12 nicht im Umkehrschluss auf die Anwendbarkeit des § 82 Abs 4 SGB 12 auf Bezieher von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung geschlossen werden kann.

2. Die Regelung des § 82 Abs 4 SGB 12 (Einkommenseinsatz im Falle der Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, wenn der Leistungsberechtigte in einer teilstationären oder stationären Einrichtung untergebracht ist) ist getreu ihrem Wortlaut anzuwenden. Ein entgegenstehender "Wille des Gesetzgebers" ist nicht erkennbar und auch die systematische Stellung der Vorschrift ermöglicht keine anderweitige Entscheidung. Es besteht kein Raum, im Wege der verfassungskonformen Auslegung oder gar im Wege der Analogie contra legem zu entscheiden.

 

Tenor

I. Der Beschluss des Sozialgerichts München vom 18.05.2005 wird aufgehoben. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

II. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der 1926 geborene Antragsteller (Ast) ist pflegebedürftig (Pflegestufe II). Er lebt seit dem 03.04.2003 im A.Altenheim.

Der Ast verfügt über eine Altersrente in Höhe von derzeit monatlich 1.249,55 EUR sowie über eine Betriebsrente in Höhe von monatlich 182,11 EUR. Seine Ehefrau bezieht eine Altersrente in Höhe von monatlich 58,97 EUR. An Mietkosten hat sie monatlich 521,56 EUR zu tragen. Dieser Sachverhalt ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

Für den Zeitraum vom 03.04.2003 bis zum 31.12.2004 hatte der Antragsgegner (Ag) mit Bescheid vom 03.03.2002 die Restkosten der nicht durch Leistungen der Pflegekasse und der Eigenbeteiligung nach dem früheren § 28 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) gedeckten Hilfe zur Pflege bis auf Weiteres übernommen und einen monatlichen Barbetrag (Taschengeld) zur persönlichen Verfügung des Ast und Bekleidungsbeihilfe bewilligt. Ab April 2003 hatte die Ehefrau des Ast einen Kostenbeitrag in Höhe von 73,00 EUR direkt an die Einrichtung zu zahlen. Zudem wurde verfügt, dass das zum Zeitpunkt der Antragstellung noch übersteigende Vermögen des Ast an den Ag auszubezahlen sei (Ziffer 3 des Bescheids vom 03.03.2004).

Auch diese Angaben sind unstreitig. Der Bescheid vom 03.03.2004 ist ausweislich der Behördenakte bestandskräftig geworden.

Mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 13.01.2005 hob der Ag unter der Überschrift "Umstellung der Sozialhilfeleistungen von Bundessozialhilfegesetz (BSHG) auf Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII)" den vorgenannten Bescheid vom 03.03.2004 mit Wirkung ab dem 01.01.2005 auf. Er bewilligte dem Ast nunmehr Leistungen nach dem am 01.01.2005 in Kraft getretenen Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) in Form eines Barbetrages und der Bekleidungsbeihilfe sowie der Hilfe zur Pflege, soweit diese Bedarfe nicht durch Leistungen der Pflegeversicherung und durch notwendige Eigenbeteiligung gedeckt sind. Hingegen versagte er die Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (§§ 41 ff SGB XII) und von Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen (§§ 27 ff, § 35 SGB XII; so Ziffer 3 des Bescheids vom 13.01.2005). Zur teilweisen Deckung der Heimkosten sei aus dem Einkommen des Ast und seiner Ehefrau ein Betrag in Höhe von 621,00 EUR einzusetzen und bei der Einrichtung einzubezahlen (so Ziffer 4 des Bescheids vom 13.01.2005). Die Ehefrau des Ast solle umgehend Grundsicherungsleistungen beim örtlich zuständigen Sozialhilfeträger beantragen.

Die Betreuerin des Ast erhob am 17.01.2005 hiergegen Widerspruch, über den - soweit aus den Akten ersichtlich - bislang nicht entschieden worden ist.

Die Landeshauptstadt M. lehnte mit Bescheid vom 02.03.2005 den Antrag der Ehefrau des Ast auf Leistungen nach dem SGB XII insgesamt ab.

Am 07.04.2005 beantragte der Ast beim Sozialgericht München (SG), den Ag im Wege der einstweiligen Anordnung bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache vorläufig zu verpflichten, ihm Sozialhilfeleistungen nach Maßgabe des bis zum 31.12.2004 geltenden Bescheids vom 03.03.2004 weiter zu gewähren.

Der Ehefrau des Ast sei es nach Abzug der geforderten Eigenbeteiligung nicht mehr möglich, aus dem gemeinsamen Einkommen den Lebensunterhalt zu bestreiten. Durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch seien zum einen die Kosten des in der Einrichtung gewährten notwendigen Lebensunterhaltes gemäß § 35 Abs 1 SGB XII bestimmt, der dem Umfang der Leistungen der Grundsicherung nach § 42 Satz 1 Nrn 1 bis 3 SGB XII zu entsprechen habe, und zum anderen durch die Einführung des § 82 Abs 4 SGB XII, der die Beteiligung an diesen Kosten auf die häusliche Ersparnis begrenze. Di...

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