Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitserlaubnis-EU. freizügigkeitsberechtigte Familienangehörige

 

Leitsatz (amtlich)

Zum Begriff des "freizügigkeitsberechtigten Familienangehörigen" in § 12b ArGV (offen gelassen)

 

Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 19.01.2011 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Erteilung einer befristeten Arbeitserlaubnis-EU nach § 284 Abs. 1 bis 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) i.V.m. § 12 b Arbeitsgenehmigungsverordnung (ArGV) im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.

Die 1957 geborene rumänische Antragstellerin (ASt) ist am 01.12.2009 zu ihrem Sohn (N) nach Deutschland verzogen. Sie ist im Besitz einer Bescheinigung über das gemeinschaftliche Aufenthaltsrecht nach § 5 Freizügigkeitsgesetz/EU (BGBl I 2004, 1950). Nach ihren Angaben lebt N seit 01.04.2004 berechtigt in Deutschland, seit 08.02.2007 sei er im Besitz einer unbefristeten Arbeitserlaubnis für berufliche Tätigkeiten.

Am 25.01.2010 beantragte sie die Erteilung einer Arbeitsberechtigung-EU, da sie beabsichtige, ab 15.02.2010 unbefristet als Haushaltshilfe bei T. B. (B) in Teilzeit tätig zu sein. Mit Bescheid vom 18.02.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.04.2010 lehnte die Antragsgegnerin (Ag) die Bewilligung einer Arbeitsberechtigung-EU ab. Die Prüfung des Arbeitsmarktes habe ergeben, dass für die von der ASt beabsichtigte Beschäftigung deutsche und ihnen gleichgestellte Arbeitnehmer zur Verfügung stünden. Eine Ausnahme nach § 12 a oder § 12 b Arbeitsgenehmigungsverordnung (ArGV) sei im Falle der ASt nicht gegeben, da sie eine Verwandte in aufsteigender Linie zu ihrem Sohn sei. Die Versagung begründe auch keine besondere Härte nach § 1 Abs 2 Nr 1 ArGV. Eine dagegen gerichtete Klage beim Sozialgericht Nürnberg (SG) hat die ASt zurück genommen (S 1 AL 226/10). Ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist ohne Erfolg (Beschluss des Senats vom 21.07.2010 - L 10 AL 154/10 B ER) geblieben. Es fehle an einem Anordnungsgrund, da der Sohn N die Existenzsicherung der ASt gewährleiste.

Am 09.09.2010 beantragte die ASt eine Arbeitsgenehmigung-EU für eine vom 01.10.2010 bis 01.12.2011 befristete Tätigkeit als Haushaltshilfe im Umfang von 15 Stunden pro Woche bei B. Dieser gab dabei an, nicht bereit zu sein, bevorrechtigte Arbeitnehmer einzustellen. Er wolle die ASt ausschließlich aus humanitären Gründen beschäftigen. Trotz aller Integrationsbemühungen werde im Alltag deutlich, dass die Mittellosigkeit den Ausschluss vom gesellschaftlichen Leben begünstige. Eine andere Person würde er nicht unbeaufsichtigt in seiner Wohnung zu beschäftigen.

Mit Bescheid vom 01.10.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.11.2010 lehnte die Ag den Antrag ab. Der Arbeitgeber sei nicht zur Einstellung eines bevorrechtigten Arbeitnehmers bereit. Solche bevorrechtigten Arbeitnehmer könnten jedoch vorgeschlagen werden. Dem Besetzungswunsch allein durch die ASt könne mangels objektiv und sachlich gerechtfertigter Gründe nicht entsprochen werden, da die vorgebrachten Gründe im humanitären Bereich liegen würden.

Gleichzeitig mit der dagegen erhobenen Klage (S 5 AL 655/10) - das SG hat hierüber noch nicht entschieden - hat die ASt die vorläufige Erteilung einer Arbeitserlaubnis-EU im Wege einer einstweiligen Anordnung beantragt. § 12 b ArGV sehe eine eigenständige, von § 12 a ArGV unabhängige Definition des "Familienangehörigen" vor. Er sei auch bei Familienangehörigen in aufsteigender Linie anwendbar, wenn diesem Familienangehörigen Unterhalt gewährt werde. Die ASt würde seit einem Jahr deutlich unter dem Existenzminimum leben, womit eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben nahezu unmöglich sei. Wegen des engen Zusammenlebens mit N entstünden zunehmend Belastungen mit der Gefahr eines Zerwürfnisses.

Mit Beschluss vom 19.01.2011 hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Es sei weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund erkennbar. Ob die Voraussetzungen des § 12 b ArbGV vorliegen würden, könne dahinstehen, da die ASt nur eine unbefristete Arbeitsberechtigung-EU begehre. Die Vorschrift des § 12 a Abs 2 ArGV sei dahingehend auszulegen, dass nur Verwandte absteigender Linie erfasst seien, was vorliegend aber nicht gegeben sei. Die Begründung des Arbeitgebers, die ASt nur aus humanitären Gründen einstellen zu wollen, führe mangels darin liegendem individuellen Geschäftsinteresses nicht dazu, dass arbeitsmarktpolitische Gründe nicht mehr maßgeblich seien. Im Übrigen fehle ein Anordnungsgrund, da die ASt von ihrem Sohn unterstützt würde und es ihm auch ohne weiteres möglich wäre, nach einer größeren Wohnung für sich und die ASt zu suchen.

Hiergegen hat die ASt Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Es gehe um eine vom 01.10.2010 bis 01.12.2011 befristete Arbeitserlaubnis-EU gemäß § 12 b ArGV. Dies habe das SG nicht gesehen. Bei der zwischen den Beteiligten strei...

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