Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. nebenamtliches Vorstandsmitglied einer eingetragenen Genossenschaft. Ehrenamt. Gewährung einer Aufwandsentschädigung. organschaftliche Stellung. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit
Orientierungssatz
Zur sozialversicherungsrechtlichen Einordnung nebenamtlicher Vorstandsmitglieder einer eingetragenen Genossenschaft, deren Tätigkeit sich in ihrer Organstellung und damit in der Mitwirkung bei der Willensbildung des Vorstands und der gesetzlichen Vertretung der Genossenschaft nach außen entsprechend erschöpfte (hier: keine abhängige Beschäftigung).
Nachgehend
Tenor
I. Ziffern II. und III. des Urteils des Sozialgerichts Nürnberg vom 13.03.2019 werden aufgehoben und die Klage insoweit abgewiesen.
II. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
III. Die Beklagte trägt 9/10, die Klägerin 1/10 der Kosten beider Instanzen. Die Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
IV. Die Revision wird zugelassen.
V. Der Streitwert wird in Höhe von 13.782,18 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist im Wege des Zugunstenverfahrens die Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 13.782,18 Euro im Rahmen einer Betriebsprüfung wegen der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) und zu 2) als Vorstandsmitglieder bei der Klägerin im Zeitraum vom 01.01.2010 bis 31.12.2013 streitig.
Die Klägerin ist eine eingetragene Genossenschaft (eG) und vermietet über 700 Wohnungen im Raum N. Zweck der Klägerin als Genossenschaft ist die Förderung der wohnlichen Versorgung ihrer Mitglieder unter sozialen Gesichtspunkten. Organe der Klägerin sind ausweislich der Regelung des § 20 der Genossenschaftssatzung (im Folgenden: Satzung) der Vorstand, der Aufsichtsrat sowie die Mitgliederversammlung. Der Vorstand besteht nach § 21 Abs. 1 Satz 1 der Satzung aus drei Personen. Im streitbefangenen Zeitraum setzte sich der Vorstand aus dem hauptamtlichen Vorstandsmitglied Herrn M sowie aus den Beigeladenen zu 1) und zu 2) zusammen. Diese sind gleichzeitig Mitglieder der Genossenschaft und seit Jahren Vorstandsmitglieder. Sie erhalten aufgrund eines gefassten Beschlusses des Aufsichtsrates vom 29.11.2006 eine Vorstandsvergütung von 400,00 €, die jährlich 14 Mal zur Auszahlung gebracht wird. Ein gesonderter Anstellungsvertrag nach § 21 Abs. 4 der Satzung wurde mit den Beigeladenen zu 1) und zu 2) jeweils nicht geschlossen. Die Genossenschaft hat inklusiv des hauptamtlichen Vorstandes neun Angestellte. In der Satzung ist bezüglich des Vorstandes Folgendes ausgeführt:
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§ 4 |
Erwerb der Mitgliedschaft |
(..) Über die Zulassung beschließt der Vorstand. (..) |
§ 22 |
Leitung und Vertretung der Genossenschaft |
(1) Der Vorstand leitet die Genossenschaft unter eigener Verantwortung. Er hat nur solche Beschränkungen zu beachten, die Gesetz und Satzung festlegen. |
(2) Die Genossenschaft wird durch ein Vorstandsmitglied in Gemeinschaft mit einem anderen Vorstandsmitglied oder in Gemeinschaft mit einem Prokuristen vertreten. |
(3) .. |
(4) Ist eine Willenserklärung gegenüber der Genossenschaft abzugeben, so genügt die Abgabe gegenüber einem Vorstandsmitglied oder einem Prokuristen. |
(5) Zu Gesamtvertretung befugte Vorstandsmitglieder können einzelne von ihnen zur Vornahme bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften ermächtigen. (..) |
(6) Der Vorstand führt die Geschäfte der Genossenschaft aufgrund seiner Beschlüsse, die mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen zu fassen sind. (..) |
Hinsichtlich der Aufgaben und Pflichten des Vorstandes sieht die Satzung unter anderem Folgendes vor:
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§ 23 |
Aufgaben und Pflichten des Vorstandes |
(1) Die Vorstandsmitglieder haben bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einer Genossenschaft anzuwenden. (..) |
(2) Der Vorstand ist insbesondere verpflichtet,(..) |
b) die für einen ordnungsgemäßen Geschäftsbetrieb notwendigen personellen, sachlichen und organisatorischen Maßnahmen rechtzeitig zu planen und durchzuführen, |
c) für ein ordnungsgemäßes Rechnungswesen gemäß §§ 37 ff. der Satzung zu sorgen, |
d) über die Zulassung des Mitgliedschaftserwerbs zu entscheiden, |
e) die Mitgliederliste nach Maßgabe des Genossenschaftsgesetzes (GenG) zu führen, |
f) im Prüfungsbericht festgehaltene Mängel abzustellen und dem Prüfungsverband darüber zu berichten (..) |
§ 43 |
Prüfung |
(6) Über das Ergebnis der Prüfung haben Vorstand und Aufsichtsrat in gemeinsamer Sitzung unverzüglich nach Eingang des Prüfungsberichtes zu beraten. (..) |
Unabhängig von den Regelungen in der Satzung wurde ein Geschäftsverteilungsplan ab 01.02.2015 vorgelegt. Gemäß Seite 3 ersetzt der Geschäftsverteilungsplan den Geschäftsverteilungsplan vom 16.06.2011. Dieser regelt die Zuweisung der laufenden Aufgaben bzw. Geschäfte an den hauptamtlichen Vorstand Herrn M sowie an abhängig beschäftigte Mitarbeiter der Klägerin. In diesem waren die Beigeladenen zu 1) und zu 2) nicht aufgeführt. ...