Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Rentenversicherung: Anrechnungszeiten wegen Arbeitsunfähigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Voraussetzungen einer Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit.
2. Arbeitsunfähig ist der Versicherte, der infolge einer Krankheit seine zuletzt vor der Erkrankung konkret ausgeübte Beschäftigung nicht mehr oder nur auf die Gefahr hin ausüben kann, seinen Zustand zu verschlimmern. Berücksichtigt werden dabei die Verhältnisse und die speziellen Anforderungen am konkret innegehabten Arbeitsplatz.
3. Wenn ein Versicherter zuletzt arbeitslos war und eine Arbeitsunfähigkeit aufgrund Erkrankung geltend macht, so ist der Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit der Kreis der Tätigkeiten zugrunde zu legen, für den er sich der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt hat. Damit ist die maßgebliche Tätigkeit im Rahmen des § 140 SGB III zu ermitteln und auf den allgemeinen Arbeitsmarkt abzustellen.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 17.06.2016 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte beim Kläger zu Recht die Anerkennung von weiteren Anrechnungszeiten wegen Arbeitsunfähigkeit abgelehnt hat.
Der 1969 geborene Kläger erhielt von der Beklagten am 25.02.2008 einen Feststellungsbescheid über seine rentenrechtlichen Zeiten mit Bindungswirkung für die Zeiten bis 31.12.2001.
Am 07.07.2009 beantragte der Kläger eine Rente wegen Erwerbsminderung, was die Beklagte mit Bescheid vom 29.09.2009 ablehnte; ein sich anschließender Rechtsstreit wurde durch Klagerücknahme am 21.05.2012 beendet. Offensichtlich übersandte die Beklagte mit dem Ablehnungsbescheid einen erneuten Feststellungsbescheid über rentenrechtliche Zeiten. Hierin wurden Pflichtbeiträge aus abhängiger Beschäftigung bis 31.05.2002, danach Pflichtbeiträge aus Arbeitslosengeldzahlung bis 26.05.2003, danach Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug bis 17.08.2008 und schließlich Anrechnungszeiten wegen Arbeitsunfähigkeit vom 18.08.2008 bis 17.04.2009 und erneut vom 20.04.2009 bis 03.07.2009 aufgeführt.
Am 01.06.2012 ließ sich der Kläger von seiner Krankenversicherung, der S. Betriebskrankenkasse (S.-BKK), eine Auflistung von Arbeitsunfähigkeitszeiten erstellen, die die Zeiten vom 07.07.2008 bis 17.04.2009, vom 20.04.2009 bis 30.09.2011, vom 04.10.2011 bis 23.12.2011 und vom 27.12.2011 bis 25.05.2012 betraf. Mit Schreiben vom 08.06.2012 beantragte der Kläger bei der Beklagten, diese Zeiten in seinem Versicherungsverlauf zu berücksichtigen und ihm einen aktualisierten Verlauf zuzusenden.
Die Beklagte führte mit Schreiben vom 19.07.2012 aus, dass sie die Zeiten vom 18.08.2008 bis 17.04.2009 und vom 20.04.2009 bis 03.07.2009 zu Unrecht als Anrechnungszeiten wegen Arbeitsunfähigkeit berücksichtigt habe: Der Beginn der Arbeitsunfähigkeit liege nicht mehr im Dreijahreszeitraum nach dem Ende der letzten Beschäftigung. Jedoch sei aus Fristgründen eine Bescheidrücknahme nicht mehr möglich.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 23.07.2012 stellte die Beklagte die im dort beigefügten Versicherungsverlauf enthaltenen Daten für den Zeitraum bis 31.12.2005 verbindlich fest. Die Zeiten vom 04.07.2009 bis 30.09.2011, vom 04.10.2011 bis 23.12.2011, vom 27.12.2011 bis 31.12.2011 und vom 01.01.2012 bis 25.05.2012 könnten nicht als Anrechnungszeit vorgemerkt werden, weil keine Arbeitsunfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Vorschriften vorgelegen habe. Die Zeiten wurden im Versicherungsverlauf als Überbrückungszeit gekennzeichnet.
Gegen den Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 16.08.2012 per Telefax Widerspruch ein. Es würde um Vorlage der in den Akten zitierten Unterlage "RH § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI Ziff. 2.1" gebeten. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass es nicht angehe, dass unter Anwendung eines Rechtsgedankens aus § 49 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) die Arbeitsunfähigkeit innerhalb von drei Jahren nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses begonnen haben müsse. Eine derartige Übertragung der Vorschrift sei mit dem Sinn und Zweck von § 43 Abs. 4 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht vereinbar. Der Zeitraum vom 01.06.2002 bis 26.05.2003 sei eine Pflichtbeitragszeit wegen Arbeitslosigkeit gewesen. Danach folge lückenlos eine Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit bis zum 17.08.2008. Weiter folge lückenlos eine Anrechnungszeit wegen Arbeitsunfähigkeit, die nur bis zum 03.07.2009 anerkannt werde, danach werde lediglich eine Überbrückungszeit berücksichtigt. Überbrückungszeiten würden bei unverschuldeten Lücken, also durch vom Versicherten nicht zu vertretende Umstände anerkannt. Der Gedanke der fehlenden Vertretbarkeit erfordere im vorliegenden Fall über den Lückenschluss hinaus, dass es zu keinem Verlust des Anspruches auf eine etwaige Erwerbsminderungsre...