Entscheidungsstichwort (Thema)

Rücknahme eines Altersrentenbescheids für die Vergangenheit: Grob fahrlässige Unkenntnis von der Fehlerhaftigkeit bei Nichtberücksichtigung eines Versorgungsausgleichs

 

Orientierungssatz

1. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Hiervon ist auszugehen, wenn die Mängel des Bewilligungsbescheides für den Begünstigten ohne weiteres erkennbar waren.

2. Ein Rentenbezieher hat die Obliegenheit, den Rentenbescheid genau durchzulesen. Dabei ist auf das Verständnis eines juristischen Laien abzustellen.

3. Wird in einer Anlage eines Altersrentenbescheids ausdrücklich das Thema Versorgungsausgleich behandelt und musste der Rentenbezieher um das Vorhandensein zweier Versorgungsausgleiche wissen, so ist bei Fehlen eines Versorgungsausgleichs im Rentenbescheid der Mangel des Bescheids für den Rentenbezieher ohne weiteres erkennbar.

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 21.02.2017 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte zu Recht eine Überzahlung der Rente des Klägers festgestellt hat und den überzahlten Betrag zurückfordern durfte.

Der 1948 geborene Kläger war zweimal verheiratet und geschieden. Im Scheidungsverfahren wurde jeweils ein Versorgungsausgleich durchgeführt; einmal zu Lasten des Klägers und einmal zu seinen Gunsten.

Aus der Akte der Beklagten ist ersichtlich, dass der Kläger am 12.05.2010 und am 24.08.2012 jeweils Rentenauskünfte von der Beklagten erhielt, bei denen in Anlage 5 unter der Überschrift "Auswirkungen des Versorgungsausgleichs" der Versorgungsausgleich der zweiten Ehe unter Nennung der konkreten Ehezeit aufgeführt worden war. Der andere Versorgungsausgleich war der Beklagten seinerzeit nicht bekannt, da die Information darüber vom früheren Kontoführer des Rentenkontos des Klägers, der Deutschen Rentenversicherung (DRV) B. S., nicht weitergegeben worden war. Rückmeldungen des Klägers darauf sind nicht ersichtlich.

Am 29.05.2013 beantragte der Kläger bei der Beklagten eine Altersrente für langjährig Versicherte. Im Antragsformular gab er unter Ziffer 10.6.1 an, dass ein Versorgungsausgleich wegen Ehescheidung durchgeführt worden sei und benannte seine beiden früheren Ehefrauen - wie gefordert - jeweils mit Name und Geburtsdatum.

Mit Bescheid vom 16.07.2013 erhielt der Kläger von der Beklagten Altersrente für langjährig Versicherte mit Beginn ab 01.07.2013 in Höhe von monatlich 1.181,88 Euro bewilligt. Wie schon in den Rentenauskünften wurden auch hier in Anlage 5 die Auswirkungen des Versorgungsausgleiches nur für die zweite Ehezeit vom 01.02.1995 bis 28.02.1999 angeführt. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

Am 22.04.2015 beantragte die geschiedene erste Ehefrau des Klägers, Frau H. A., bei der DRV B. S. eine Rente. Dies führte zunächst am 29.05.2015 zu einem Datenabgleich und dann am 10.06.2015 zu einem Telefonkontakt zwischen der Beklagten und der DRV B. S. wegen des dort gespeicherten Versorgungsausgleichs. Im Folgenden forderte die Beklagte beim Amtsgericht F-Stadt Unterlagen zum Versorgungsausgleich an, woraufhin dieses am 17.06.2015 eine Teilausfertigung des Scheidungsurteils vom 29.06.1993 übersandte. Darin war ein Versorgungsausgleich zu Lasten des Klägers geregelt worden.

Am 30.06.2015 nahm die Beklagte eine fiktive Berechnung der Altersrente des Klägers vor. Aus dem zu Gunsten des Versicherungskontos des Klägers durchgeführten Versorgungsausgleich ergebe sich ein Zuschlag von 0,1284 Punkten aus der für die Ehezeit vom 01.02.1995 bis 28.02.1999 übertragenen Rentenanwartschaft von monatlich 6,12 DM. Aus dem zu Lasten des Versicherungskontos des Klägers durchgeführten Versorgungsausgleich für die Ehezeit von 1973 bis 1991 ergebe sich ein Abzug von 5,2326 Punkten. Die persönlichen Entgeltpunkte des Klägers würden sich daher insgesamt auf 41,5643 belaufen, was zu einem anfänglichen Zahlbetrag der Rente von nur noch 1.049,73 Euro führe.

Die Beklagte hörte den Kläger am 02.07.2015 telefonisch dazu an, dass sie erst jetzt von der DRV B. S. darauf hingewiesen worden sei, dass bei der Berechnung der Altersrente der Abschlag aus Versorgungsausgleich nicht berücksichtigt worden sei. Es solle der Rentenbescheid vom 16.07.2013 zunächst mit Wirkung ab dem 01.08.2015 - d.h. für die Zukunft - zurückgenommen werden, um ein Anwachsen der bereits jetzt entstandenen Überzahlung der Rente zu verhindern. Hinsichtlich der Entscheidung, ob der Bescheid vom 16.07.2013 auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen sei und die entstandene Überzahlung zurückgefordert werde, ergehe nach separater Anhörung noch eine gesonderte Entscheidung.

Mit Bescheid vom 02.07.2015 nahm die Beklagte sodann den Bescheid vom 16.07.2013 in der Fassung der Folgebescheide hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung zum 01.08.2015 zurück und wies daraufhin, ...

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