Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Antrag auf künstliche Befruchtung. Genehmigungsfiktion nur bei Vorliegen des zwingend erforderlichen Behandlungsplans. Leistungsausschluss für weibliche Versicherte nach Vollendung des 40. Lebensjahres. Leistung offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Antrag auf medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach § 27a SGB V kann nur zu einer Genehmigungsfiktion führen, wenn der nach § 27a Abs 3 Satz 2 SGB V zwingend erforderliche Behandlungsplan vorliegt.
2. Leistungen nach § 27a SGB V liegen für weibliche Versicherte offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV, soweit sie nach Vollendung des 40. Lebensjahres erbracht werden sollen. Die in § 27a Abs 3 Satz 1 Halbs 2 SGB V normierten oberen Altersgrenzen stellen Grenzen des GKV-Leistungskatalogs dar, die jeder/jedem Versicherten klar sein müssen.
3. Eine Genehmigungsfiktion kommt nicht in Betracht, soweit eine weibliche Versicherte Leistungen nach § 27a SGB V beantragt hat, die nach Vollendung ihres 40. Lebensjahres erbracht werden sollen.
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 24.10.2017 aufgehoben und die Klagen abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch der Klägerin auf Gewährung von In-vitro-Fertilisations-Behandlungen (IVF-Behandlungen) sowie auf Erstattung von Kosten für bereits durchgeführte Behandlungen streitig.
Die 1976 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gegen Krankheit versichert.
1. Mit Schreiben vom 30.04.2016, eingegangen bei der Beklagten am 01.05.2016, stellte die Klägerin einen Antrag "für eine IVF Behandlung / künstliche Befruchtung" unter Vorlage eines ärztlichen Berichts der A. Klinik L-Stadt vom 07.04.2016. Nach Aufforderung durch die Beklagte legte die Klägerin mit Schreiben vom 10.06.2016 (Eingang bei der Beklagten am 21.06.2016) einen Kostenvoranschlag der IVF-Zentren Z. GmbH vom 08.06.2016 einschließlich eines Behandlungsplans vor.
Hierauf beauftragte die Beklagte mit Schreiben vom 29.06.2016, nochmals mit Schreiben vom 07.07.2016, den MDK mit einer medizinischen Stellungnahme zu der beantragten künstlichen Befruchtung. Die Klägerin wurde mit Schreiben vom 29.06.2016 über die Einschaltung des MDK unterrichtet. Nach Eingang des sehr knapp gehaltenen, negativen Gutachtens des MDK vom 14.07.2016 lehnte die Beklagte den Antrag mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 25.07.2016 ab.
Dagegen richtete sich der Widerspruch der Klägerin vom 10.08.2016. Bei der geplanten Behandlung in dem IVF-Zentrum Z. in B-Stadt würden die Vorgaben nach § 27a SGB V und das Deutsche Embryonenschutzgesetz eingehalten. Diesbezüglich wurde eine Erklärung von Prof. Dr. Z. vorgelegt. Ferner legte die Klägerin ein ärztliches Attest vom 11.11.2016 und Laborbefunde vor. Der Gynäkologe Dr. B. bescheinigte "eine absolute Indikation zur IVF Behandlung". Im Widerspruchsverfahren schaltete die Beklagte nochmals den MDK ein. Dieser führte unter dem 15.11.2016 - abweichend von seiner früheren Einschätzung - aus, eine IVF-Behandlung mit 3 Versuchen könne befürwortet werden. Allerdings könnten keine Mehrkosten übernommen werden, die durch eine Behandlung in Österreich anfielen.
2. Die Klägerin wandte sich - nunmehr vertreten durch ihren Bevollmächtigten - mit Schreiben vom 22.11.2016 an die Beklagte und machte den Eintritt einer Genehmigungsfiktion geltend.
Daraufhin räumte die Beklagte mit Bescheid vom 23.11.2016 den Eintritt einer Genehmigungsfiktion ein und erklärte, man werde die Kosten für die Behandlung der In-Vitro-Fertilisation (IVF) mit Embryotransfer in dem mit Kostenvoranschlag vom 08.06.2016 beantragten Umfang übernehmen. Allerdings könne man sich nicht an Kosten für Behandlungen ab dem 26.11.2016 beteiligen, weil die Klägerin dann 40 Jahre alt sei und die Altersgrenze des § 27a Abs. 3 SGB V überschritten habe. Derartige Behandlungen seien von der Genehmigungsfiktion nicht erfasst.
Die Klägerin erwiderte mit Schreiben vom 25.11.2016, die Genehmigungsfiktion beseitige auch die Altersgrenze, anderenfalls laufe § 13 Abs. 3a SGB V hier leer. Hilfsweise werde darauf hingewiesen, dass Anknüpfungsereignis für den Stichtag nach den Richtlinien zu § 27a SGB V bei einer Behandlung im stimulierten Zyklus der erste Tag der Down-Regulation sei (Nr. 9.1 der Richtlinien). Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 29.11.2016, sie könne sich nur an Versuchen beteiligen, die vor Erreichen der Altersgrenze begonnen hätten. Ausnahmen von den gesetzlichen Altersbeschränkungen seien nicht möglich.
Daraufhin hat die Klägerin am 23.01.2017 Leistungsklage zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhoben (S 6 KR 38/17). Sie hat sich auf den Eintritt der Genehmigungsfiktion berufen, hilfsweise auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch. Die B...