Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistungen nach dem Soldatenversorgungsgesetz. Schießübung. Knalltrauma. Wehrdienstbeschädigung. Dienstliche Einflüsse. Schädigung. Schädigungsfolge. Kausalität. Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht. Antizipierte Sachverständigengutachten. Allgemeiner Gleichheitssatz
Leitsatz (redaktionell)
Wird als Folge einer Wehrdienstbeschädigung eine psychische Erkrankung geltend gemacht, so ist zu prüfen, ob die Wehrdienstbeschädigung tatsächlich die wesentliche Bedingung für den Eintritt der psychischen Erkrankung gesetzt hat. Zur Beurteilung dieser Frage ist im Regelfall der gesamte berufliche und private Werdegang des Wehrdienstbeschädigten, insbesondere seit dem Tag der Beschädigung, in den Blick zu nehmen.
Normenkette
SVG § 81 Abs.1; GG Art. 3
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 1. Juni 2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der 1946 geborene Kläger begehrt Leistungen nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG) in rentenberechtigendem Grad (MdE um mindestens 25 v.H.).
Der Kläger hat während einer 36-Stunden-Übung am 13.06.1967 nach Schießübungen mit der Panzerfaust und Gewehrgranaten beidseitig ein Knalltrauma erlitten. Das Versorgungsamt R. hat mit Bescheid vom 30.05.1968 als Wehrdienstbeschädigung anerkannt: "Innenohrschwerhörigkeit rechts mehr als links, subjektiv empfundene Ohrgeräusche beidseits." Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) ist mit 20 v.H. bewertet worden.
Die Bevollmächtigten des Klägers haben am 02.11.1995 einen Neufeststellungsantrag gestellt und vorgetragen, dass sich die als Wehrdienstbeschädigung anerkannte Schwerhörigkeit erheblich verschlimmert habe. Dr. E. hat mit HNO-versorgungsärztlichem Gutachten vom 30.11.1995 ausgeführt, dass die weitere Hörverschlechterung im normalen Alterungsprozess ihre Ursache habe und unter anderem teilweise mitbedingt durch den Lärm am Arbeitsplatz (Beruf: Schlosser) sei. Dementsprechend ist der Antrag vom 02.11.1995 mit Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung R. vom 25.01.1996 abgelehnt worden. Der hiergegen gerichtete Widerspruch vom 19.02.1996 ist mit Widerspruchsbescheid des Bayerischen Landesamtes für Versorgung und Familienförderung vom 15.05.1996 zurückgewiesen worden.
Das wegen Kostenerstattung von Hörhilfen zeitlich überschneidend geführte sozialgerichtliche Verfahren S 12 VS 62/96 ist in der mündlichen Verhandlung vom 05.03.1999 zurückgenommen worden.
Die Bevollmächtigten des Klägers haben mit Antrag vom 07.08.2000 erneut vorgetragen, dass sich die festgestellte Wehrdienstbeschädigung verschlimmert habe. Zusätzlich sei eine erhebliche depressive Verstimmung als mittelbare Schädigungsfolge zu berücksichtigen. Auf den Bericht den Bezirksklinikums R. vom 29.02.2000 werde Bezug genommen.
Dr. E. hat mit HNO-versorgungsärztlichem Gutachten vom 15.01.2001 ausgeführt, dass die schädigungsbedingte Innenohrschwerhörigkeit rechts stärker als links samt subjektiv empfundener Ohrgeräusche beidseits unverändert mit einer MdE um 20 v.H. zu bewerten sei. Die jetzt stark hinzugekommenen Probleme seien im Zusammenhang mit der arbeitsunfallbedingten Fingeramputation zu sehen und hätten keinen ursächlichen Zusammenhang mit der Wehrdienstbeschädigung. Dies ist mit neurologisch-psychiatrisch-versorgungsärztlichem Gutachten von Dr. Dipl. Psych. L. vom 15.01.2001 bestätigt worden. Die depressive Verstimmung sei nicht auf die anerkannten Schädigungsfolgen zurückzuführen. Dementsprechend hat das Amt für Versorgung und Familienförderung R. mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 30.03.2001 den Neufeststellungsantrag vom 07.08.2000 abgelehnt.
Der Widerspruch vom 23.04.2001 ist mit Widerspruchsbescheid des Bayerischen Landesamtes für Versorgung und Familienförderung vom 18.10.2001 zurückgewiesen worden. Auch in Berücksichtigung der Krankenblattunterlagen der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie sowie für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde der Universität R. sei eine Verschlimmerung der anerkannten Schädigungsfolgen nicht gegeben.
In dem sich anschließenden sozialgerichtlichen Verfahren hat das Sozialgericht Regensburg nach Beiziehung weiterer ärztlicher Unterlagen Dr. K. gem. § 106 Abs.3 Nr.5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zum ärztlichen Sachverständigen bestellt. Dieser hat mit nervenärztlichem Gutachten vom 07.09.2004 hervorgehoben, dass die depressive Störung nach Aktenlage erst in deutlicherem Maße seit 1998 nach der Handverletzung mit Teilamputation von Fingern bestehe. Die depressive Störung sei nach Aktenlage nicht im Zusammenhang mit einer Wehrdienstbeschädigung zu sehen. Bezogen auf die Gesundheitsstörung im Sinne einer Wehrdienstbeschädigung (Tinnitus und Hörminderung beidseits) liege seit dem Auftreten der Wehrdienstbeschädigung dauerhaft bis jetzt ein Tinnitus mit wesentlicher Einschränkung ...