Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld. Erstattungspflicht des Arbeitgebers. Befreiungstatbestand. Kündigung aus wichtigem Grund. außerordentliche krankheitsbedingte Kündigung

 

Orientierungssatz

1. Als wichtige Gründe für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist iS von § 147a Abs 1 S 2 Nr 5 SGB 3 sind Gründe iS von § 626 BGB anzusehen. Dabei ist auf die objektive Rechtslage abzustellen.

2. Für eine außerordentliche krankheitsbedingte Kündigung müsste zunächst krankheitsbedingt ein wichtiger Grund an sich vorliegen. Dann ist eine Interessenabwägung vorzunehmen und zu prüfen, ob eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Kündigenden zumutbar ist. Eine außerordentliche Kündigung kommt daher nur in Betracht bei abschreckenden, ekelerregenden oder ansteckenden Krankheiten, oder wenn eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist. Dann ist an die außerordentliche Kündigung aber ein besonders strenger Maßstab anzulegen.

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 09.09.2004 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten zuletzt darüber, ob die Klägerin Leistungen der Beklagten an den Arbeitnehmer D (D) in Höhe von 15.769,11 EUR gemäß § 147 a Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) der Beklagten zu erstatten hat.

Der ... 1941 geborene D war seit 06.11.1989 bei der Klägerin als Meister tätig; er hatte nach Auskunft der Klägerin Mitarbeiter zu beaufsichtigen sowie einzuteilen und war verantwortlich für den ordnungsgemäßen Betrieb der Pulverbeschichtungsanlage. Er war ordentlich mit einer Frist von 5 Monaten kündbar. Mit Aufhebungsvertrag vom 16.09.2002 wurde das Arbeitsverhältnis "aus krankheitsbedingten Gründen" zum 31.10.2002 beendet. In den letzten 2 Jahren vor Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses war D vom 10.06.2002 bis 05.07.2002 und vom 09.10.2002 bis 31.10.2002 arbeitsunfähig erkrankt gewesen.

D meldete sich ab 01.11.2002 persönlich arbeitslos und ohne Einschränkung arbeitsuchend. Im Rahmen eines im Auftrag der Beklagten erstatteten sozialmedizinischen Gutachtens nach Aktenlage vom 08.04.2003 stellte Dr. K fest, D sei im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht für mehr als 6 Monate arbeitsunfähig gewesen. Die Beklagte bewilligte ab 01.11.2002 Arbeitslosengeld für 720 Tage (Bescheide vom 20.03.2003).

Angehört zu einer eventuellen Erstattungspflicht teilte die Klägerin mit, D sei es aus gesundheitlichen Gründen auf Dauer nicht mehr möglich gewesen, seine Tätigkeit zu verrichten. Sie legte eine Bescheinigung der Allgemeinärztin Dr. Z vor. Mit Bescheid vom 31.07.2003 stellte die Beklagte nach Anhörung die Erstattungspflicht der Klägerin gemäß § 147 a SGB III für die an D in der Zeit vom 01.11.2002 bis 30.04.2003 erbrachten Leistungen in Höhe von 10.159,98 EUR fest.

Den Widerspruch hiergegen begründete die Klägerin damit, D habe erklärt, er könne aus gesundheitlichen Gründen die bisherige Tätigkeit nicht mehr ausüben. Ein anderer Arbeitsplatz habe nicht zur Verfügung gestanden. D hätte daher aus wichtigem Grund mit sozialer Auslauffrist gekündigt werden können. Er habe jedoch den Abschluss eines Aufhebungsvertrages anstelle einer personenbedingten Arbeitgeberkündigung gewünscht und eine Abfindung nicht gefordert. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei jedenfalls nicht auf Veranlassung der Klägerin erfolgt.

Nach Einholung eines weiteren sozialmedizinischen Gutachtens nach Aktenlage bei Dr. K wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15.09.2003 zurück. Die Voraussetzungen des § 147 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 bis 5 SGB III lägen bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages nicht vor. Lange oder häufige Arbeitsunfähigkeit des D, die den Arbeitgeber wirtschaftlich belaste, habe nicht vorgelegen. Ein objektiv wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung sei damit nicht gegeben.

Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Nürnberg erhoben. § 147 a SGB III sei ergänzend auszulegen. Die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses sei allein von D ausgegangen, sie selbst hätte das Arbeitsverhältnis nicht gekündigt.

Mit zum Gegenstand des Verfahrens gewordenen Bescheiden vom 27.11.2003 und 08.01.2004 stellte die Beklagte die Erstattungspflicht auch für die Zeit vom 01.05.2003 bis 31.07.2003 in Höhe von 3.852,90 EUR und für die Zeit vom 01.08.2003 bis 31.10.2003 in Höhe von 5.212,18 EUR fest.

Der vom Sozialgericht bestellte Sachverständige Dr. S (Orthopäde) stellte in seinem Gutachten nach Aktenlage vom 12.03.2004 fest, ab 01.09.2003 seien D nur noch leichte bzw gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten zuzumuten. Bei der gesundheitlichen Beeinträchtigung handele es sich um einen Dauerzustand. Das SG hat die Lohnbuchhalterin der Klägerin, Frau S (S), und D uneidlich als Zeugen vernommen. S hat angegeben, D habe erklärt, er könne die Tätigkeit nicht mehr ausüben und wolle aufhören. Man habe ihm daher vo...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge