Entscheidungsstichwort (Thema)
Witwenrente. Leistung ohne Verwaltungsakt. Rückforderung. Vertrauensschutz. Grobe Fahrlässigkeit. Ermessen. Frist
Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen der Rückforderung eier überzahlten Witwenrente; Weiterzahlung über einen Wegfalltatbestand hinaus ist Leistung ohne Verwaltungsakt
Normenkette
SGB X § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3, Abs. 3, 4 S. 2, §§ 48, 50
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 29. Mai 2006 sowie der Bescheid der Beklagten vom
17. November 2004 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 3. Mai 2005 und in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juli 2005 dahin abgeändert, dass sich der zu erstattende Überzahlungsbetrag entsprechend dem Teilanerkenntnis der Beklagten vom 15. Juli 2010 auf 34.063,15 Euro verringert.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die rückwirkende Aufhebung einer Rentenbewilligung und Rückforderung eines Überzahlungsbetrages von zuletzt 34.063,15 Euro.
Die Klägerin ist die Witwe des am 24.01.1992 verstorbenen Versicherten F. S., welcher Inhaber einer Firma für Werkvertretungen von Landmaschinen war. Die Klägerin hatte in dieser Firma seit 1972 Einzelprokura.
Nach dem Tode ihres Ehemannes stellte sie im Februar 1992 bei der Beklagten Antrag auf Hinterbliebenenrente. Sie gab an, seit dem Tode ihres verstorbenen Mannes dessen Betrieb als Geschäftsführerin weiter zu führen. Laut Erklärung ihres Steuerberaters vom 13.03.1992 betrug ihr Gewinnanteil an der inzwischen in Fa. F. A. GmbH & Co KG umgewandelten Firma im Jahr 1992 125.000,- DM.
Mit Bescheid vom 29.05.1992 bewilligte die Beklagte der Klägerin sog. große Witwenrente ab 24.01.1992 (monatlicher Zahlbetrag ab 01.07.1992 DM 942,22). In dem Bescheid wurde auf die gesetzlichen Mitteilungspflichten der Klägerin u.a. im Falle des Hinzutretens oder Veränderung von Erwerbseinkommen hingewiesen, weil dieses Einfluss auf die Rentenhöhe haben könne; ebenso wurden die Rechtslage bei Zusammentreffen der Witwenrente mit Erwerbseinkommen näher dargelegt (abgestufte Einkommensanrechnung nach § 314 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI - a.F.: keine Anrechnung im ersten Jahr nach dem Tode des Versicherten, anschließend stufenweise Anrechnung des einen Freibetrag übersteigenden Einkommens). Auf einen beigefügten Vordruck bezüglich der ab 1993 vorzunehmenden Einkommensanrechnung wurde Bezug genommen.
Mit Bescheid vom 10.11.1992 wurde die Witwenrente auf der Grundlage der bisherigen Rentenberechnung rückwirkend ab 24.01.1992 wegen Bewilligung eines Zuschusses zur privaten Krankenversicherung neu berechnet (monatl. Rentenzahlbetrag ab 01.01.1993 1.001,11 DM). Der Bescheid enthielt die gleichen Hinweise zu den bestehenden Mitteilungspflichten bei Hinzutreten von Erwerbseinkommen, Änderung des Krankenversicherungsverhältnisses etc. und zur Einkommensanrechnung bei Zusammentreffen der Witwenrente mit Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen wie der Bescheid vom 29.05.1992.
Nach Eingang einer Mitteilung des Steuerberaters der Klägerin vom 02.06.1993 über das vorläufig festgestellte Einkommen der Klägerin im Jahr 1992 von 291.378,- DM nahm die Beklagte mit Bescheid vom 16.08.1993 für die Zeit ab 01.07.1993 eine weitere Neuberechnung der Witwenrente der Klägerin unter Zugrundelegung der bisherigen Berechnungsdaten und Berücksichtigung des 1992 erzielten Einkommens vor. Es wurde festgestellt, dass die Rente ab 01.07.1993 wegen Anrechnung von 10% des den Freibetrag von 1.174,54 DM übersteigenden Einkommens ruhe und die für die Zeit vom 01.07. bis 30.09.1993 schon ausgezahlte Rente (entstandene Überzahlung: 3.147,66 DM) gem. § 50 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zu erstatten sei.
Die Klägerin zahlte den Betrag von DM 3.147,66 in der Folgezeit zurück. Die Auszahlung des im November 1992 zur Auszahlung angewiesenen Rentenbetrags lief allerdings wegen eines Fehlers bei Eingabe des Wegfallauftrags bzw. wegen Unterbleibens eines erneuten Wegfallauftrags nach Stornierung eines ersten fehlerhaften Wegfallauftrags von der Beklagten unbemerkt weiter, offensichtlich erfolgten in der Folgezeit auch regelmäßige Rentenanpassungen, die Klägerin äußerte sich dazu nicht.
Mit weiterem Bescheid vom 10.12.1993 wurde die Witwenrente für die Zeit ab 01.02.1994 unter Anrechnung von nunmehr 20 % des den entsprechenden Freibetrag übersteigenden Einkommens (angesetzt wurde hier wie schon im Bescheid vom 16.08.1993 ein monatliches Einkommen von 15.782,98 DM) neu berechnet und festgestellt, dass die Rente ab 01.02.1994 wegen der Höhe des zu berücksichtigenden Einkommens nicht zu zahlen sei. Auf §§ 97, 314 Abs.3 a.F. SGB VI und die Unanfechtbarkeit "des bisherigen Bescheids" wurde hingewiesen.
Übersehen wurde weiterhin, dass der Zahlungsauftrag nicht gelöscht war und die Zahlung der Rente entgegen den Feststellungen im Bescheid weiter lief.
Weitere Bescheide mit Einkommensanrechnung ergingen in den Folgejahren nicht meh...