rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. isoliertes Widerspruchsverfahren. Höhe der Rechtsanwaltsgebühren. Nachprüfbarkeit der vom Rechtsanwalt festgesetzten Gebühren

 

Orientierungssatz

1. Nach Ansicht des erkennenden Senats gelten die Überlegungen des Bundessozialgerichts, das seit 1983 in ständiger Rechtsprechung den Gebührenrahmen des § 116 Abs 1 S 1 Nr 1 BRAGebO für das Verwaltungs- und Vorverfahren in Rechtssachen, die im Streitfall vor die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit gehören, auf 2/3 ermäßigt (vgl BSG vom 7.12.1983 - 9a RVs 5/82 = SozR 1300 § 63 Nr 2, BSG vom 22.3.1984 - 11 RA 16/83 = SozR 1300 § 63 Nr 3, BSG vom 9.8.1995 - 9 RVs 7/94 = SozR 3-1930 § 116 Nr 7, BSG vom 12.6.1996 - 5 RJ 86/95 = SozR 3-1930 § 116 Nr 9) grundsätzlich noch.

2. Die Feststellung der Unbilligkeit der vom Rechtsanwalt iS des § 12 Abs 1 BRAGebO bestimmten Rahmengebühr ist gerichtlich voll nachprüfbar.

3. Die Vorschrift des § 12 Abs 2 S 1 BRAGebO gilt nur für den Rechtsstreit zwischen dem Auftraggeber und dem Bevollmächtigten.

 

Verfahrensgang

SG München (Entscheidung vom 16.03.2000; Aktenzeichen S 16 SB 807/99)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 16. März 2000 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Höhe der Kostenerstattung im sog. "isolierten Widerspruchsverfahren".

Gegen den Bescheid des Beklagten vom 20.05.1998, mit dem bei dem .... 1964 geborenen Kläger der Grad der Behinderung (GdB) nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG) mit 30 festgestellt worden war, erhob der Kläger Widerspruch, dem der Beklagte mit der Feststellung eines GdB von 40 im Teilabhilfebescheid vom 04.11.1998 abhalf; gleichzeitig erachtete er die Zuziehung des jetzigen Klägerbevollmächtigten für notwendig und eine Erstattung der notwendigen Aufwendungen entsprechend dem Erfolg des Widerspruchs zu 4/10 für angemessen; im Übrigen wies er den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25.11.1998 zurück.

Mit Schreiben vom 04.01.1999 wies der Klägerbevollmächtigte darauf hin, der Gebührenrahmen gehe auch im Vorverfahren von 100,00 DM bis 1.300,00 DM. Das Bundessozialgericht (BSG) habe zwar in älteren Entscheidungen die Auffassung vertreten, im Vorverfahren sei der Gebührenrahmen geringer; es bestehe ein allgemeines Rechtsprinzip, wonach der Anwalt außergerichtlich weniger verdiene als vor Gericht. Das habe vielleicht Anfang der 80er-Jahre gestimmt, heute aber nicht mehr; die außergerichtliche Vergleichsgebühr sei höher als die gerichtliche, das außergerichtliche Vergleichsverfahren bei Forderungsbeitreibungen erzeuge mehr Gebühren (§ 118 Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte -- BRAGO --) als das gerichtliche Zwangsvollstreckungsverfahren (§ 57 BRAGO) und der Gesetzgeber habe weitere Institutionen geschaffen, die gebührenrechtlich einen Anreiz dafür bieten sollen, dass der Anwalt nicht gleich zum Gericht laufe (z.B. § 84 BRAGO für strafrechtliche Hauptverhandlungs-Verteidigergebühr ohne Hauptverhandlung). Schwierigkeit und Zeitaufwand des abzurechnenden isolierten Vorverfahrens rechtfertigten eine Ausschöpfung jeweils im Faktor von 75 %, die Bedeutung der Angelegenheit und die Finanzverhältnisse des Mandanten seien mit 50 % bewertet; unter Ausschöpfung von insgesamt 62,5 % ergebe sich eine Verfahrensgebühr (§ 116 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO) von 750,00 DM, eine Postpauschale (§ 25 BRAGO) von 40,00 DM sowie 16 % MWSt (§ 25 Abs. 2 BRAGO) i.H. von 126,40 DM, insgesamt 916,40 DM.

Demgegenüber legte der Beklagte im angefochtenen Bescheid vom 28.01.1999 eine Mittelgebühr in Höhe von 467,00 DM zugrunde und errechnete mit einer Unkostenpauschale von 40,00 DM und 81,12 DM MWSt eine Gesamtsumme von 588,12 DM, von der 4/10, d.h. ein Betrag von 235,00 DM, zu erstatten sei.

Gegen diesen Bescheid legte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 09.02.1999 insoweit Widerspruch ein, als Gebühren von 131,31 DM nicht festgesetzt worden seien; der Beklagte habe den Gebührenrahmen grundsätzlich falsch bestimmt, wenn er meine, dieser reiche von 67,00 DM bis 867,00 DM; einen derartigen Rahmen gebe es nicht; anzuwenden sei der ganz normale Rahmen, der sich aus einer Analogie zu § 116 BRAGO ergebe; er gehe von 100,00 DM aus und ende bei 1.300,00 DM; daran änderten auch die zitierten BSG-Urteile nichts; das BSG vergleiche anhand anderer Tätigkeiten eines Anwaltes die Vergütungssätze der BRAGO und käme zu dem Schluss, es bestehe ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, wonach der Anwalt außergerichtlich weniger verdiene als im gerichtlichen Verfahren; es könne offenbleiben, ob das zu der Zeit richtig gewesen sei, als die maßgeblichen BSG-Urteile ergangen seien. Jedenfalls habe der Gesetzgeber dieser Rechtsprechung die Grundlage entzogen; denn seither seien eine Fülle von Vorschriften geändert worden, von einem allgemeinen Rechtsgrundsatz im Sinne des BSG könne keine Rede mehr sein; z.B. bekom...

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