Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Rentenversicherung: Verfallswirkung bei einer Beitragserstattung

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Verfallswirkung einer durchgeführten Beitragserstattung hinsichtlich vor der Erstattung zurückgelegter Kindererziehungszeiten.

 

Orientierungssatz

1. Mit der Beitragserstattung wird das bis dahin bestehende Versicherungsverhältnis aufgelöst. Die Verfallswirkung erfasst bis zur Erstattung zurückgelegte Versicherungszeiten, also Beitragszeiten, Ersatzzeiten und auch Kindererziehungszeiten.

2. Soweit angenommen wird, dass einem bis zum Inkrafttreten des Gesetzes vom 15.07.2009 erlassenen Erstattungsbescheid keine Verfallswirkung hinsichtlich derjenigen Kindererziehungszeiten zukommt, die bei Bekanntgabe des Bescheides noch nicht vorgemerkt waren, gilt dies nur für die an versicherungsfreie oder von der Versicherungspflicht befreite Versicherte erteilte Erstattungsbescheide.

3. Die Verfallswirkung bei einer Beitragserstattung vor dem 01.07.2014 ist durch die ab diesem Zeitpunkt eingeführte Regelung des § 249 Abs. 1 SGB VI eingeschränkt. Die Verfallswirkung gilt für die vor dem 01.01.1992 geborenen Kinder nur hinsichtlich der vor dem 13. Monat zurückgelegten Kindererziehungszeiten.

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 04.10.2018 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung von Kindererziehungszeiten bzw. Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung.

Die 1943 geborene Klägerin ist türkische Staatsangehörige mit Wohnsitz in der Türkei. Im Jahr 1972 ist sie nach Deutschland zugezogen. Beitragszeiten legte sie mit Unterbrechungen vom 12.08.1974 bis 31.10.1985 zurück. Zuletzt war sie gemeldet in der Stadt K. ab dem 04.04.1981 und ist am 17.09.1987 in die Türkei verzogen. Im Kontospiegel über die Versicherung der Klägerin bei der Beklagten ist eine Beitragserstattung mit Bescheid vom 14.03.1990 vermerkt. Angegeben ist weiter, dass auf Antrag der Klägerin vom 14.12.1989 für die Zeit vom 12.08.1974 bis 31.10.1985 eine Erstattung in Höhe von 17.071,88 DM erfolgte.

Die Klägerin ist seit dem 22.11.1963 verheiratet mit ihrem Ehemann A., geb. 1941 (Beigeladener). Der Ehemann war vom 15.10.1970 bis 30.11.1987 in Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt. Nach einer Auskunft der Stadt K. vom 09.01.2017 war A. bis zum 17.09.1987 unter der gemeinsamen Anschrift mit der Klägerin gemeldet.

Für die Klägerin beantragte die Nichte der Klägerin unter dem 27.04.2016 (Eingang am 21.08.2016) die Klärung des Versicherungskontos der Klägerin und die Feststellung von Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung. Sie gab im Antragsformular an, mit Bescheid vom 14.03.1990 sei von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Baden-Württemberg eine Beitragserstattung durchgeführt worden. Für das Kind D., geb. 1984, seien Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung anzuerkennen. Nach Angaben der Nichte im Antragsformular habe die Klägerin von der Geburt des Kindes bis zu dessen vollendetem 10. Lebensjahr das Kind gemeinsam und durchgehend zu gleichen Teilen mit dem anderen Elternteil oder überwiegend erzogen, allerdings von Oktober 1987 bis 13.08.1994 in der Türkei. Die im Antragsformular vorgesehene Bestätigung des anderen Elternteils ( A.), dass diese Angaben zur Erziehung den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen, war mit einem Schriftzug sehr ähnlich der Unterschrift der Nichte der Klägerin unterzeichnet.

Mit Bescheid vom 23.03.2017 (bekanntgegeben mit einem einfachen Brief) stellte die Beklagte die in dem beigefügten Versicherungsverlauf bis 31.12.2010 enthaltenen Daten nach § 149 Abs. 5 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) verbindlich fest. Aufgrund der mit Bescheid vom 14.03.1990 durchgeführten Beitragserstattung seien alle Ansprüche aus bis zu diesem Zeitpunkt zurückgelegten Versicherungszeiten ausgeschlossen. Die Verfallswirkung der Beitragserstattung erfasse die im Zeitpunkt der Erstattung versicherungsrechtlich erheblichen Beitragszeiten. Auch Kindererziehungszeiten (die ersten 12 Kalendermonate nach der Geburt) würden unabhängig davon, ob diese bereits festgestellt worden seien, von der Verfallswirkung erfasst. Hinsichtlich der Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung für das Kind D. stellte die Beklagte wie folgt fest:

"Die Zeit vom 01.09.1985 bis 31.08.1986 werde als Kindererziehungszeit vorgemerkt. Der andere Elternteil, A., habe am 27.04.2016 bestätigt, dass er das Kind nicht überwiegend erzogen habe. Daher sei eine Anerkennung von Kindererziehungszeiten für diesen Zeitraum bei ihm ausgeschlossen.

Die Zeit vom 14.08.1984 bis 17.09.1987 werde als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung vorgemerkt. Der andere Elternteil, A., habe am 27.04.2016 bestätigt, dass er das Kind nicht überwiegend erzogen habe. Daher sei eine Anerkennung von Kindererzi...

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