Entscheidungsstichwort (Thema)

GdB. Merkzeichen “RF”. Gutachten. Ladung des Sachverständigen zum Termin. Rechtsmissbrauch

 

Leitsatz (redaktionell)

Für die Feststellung eines GdB kommt es maßgeblich darauf an, welche Funktionsbeeinträchtigungen vorhanden sind und welche Behinderungen im Alltagsleben sich daraus ergeben. Die Genese des Krankheitsbilds ist hingegen unerheblich.

 

Normenkette

SGB IX § 69 Abs. 1 S. 1; SGG §§ 106, 109, 118 Abs. 1 S. 1; ZPO § 411 Abs. 3

 

Tenor

I. Auf die Klage der Klägerin wird der Änderungsbescheid des Beklagten vom 17.05.2001 abgeändert und der Beklagte verurteilt, mit Wirkung ab 14.12.2007 der Klägerin das Merkzeichen "G" anzuerkennen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 01.03.2001 wird zurückgewiesen.

III. Der Beklagte hat der Klägerin 2/10 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um den Zeitpunkt und die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) sowie die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "G", "aG", "B", "RF" nach § 4 des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) bzw. nach § 69 des Sozialgesetzbuches 9. Buch (SGB IX).

Die 1943 geborene Klägerin beantragte erstmals am 23.07.1997 die Feststellung einer Behinderung mit einem GdB von 80 sowie die Zuerkennung der Merkzeichen "G", "aG", und "RF". Zur Begründung verwies sie auf eine schwere Eisenmangelanämie, ein chronisches Müdigkeitssyndrom, Erschöpfungszustände bei geringster Anstrengung mit Tachykardien, unspezifische Hustenattacken bis Erstickungsanfälle bei geringster Anstrengung, Atemnot, Nierenschaden bei pathologischen Normwerten und früherer erheblicher Hypotonie sowie eine Harninkontinenz. Einen Hausarzt könne sie nicht angeben, weil sie Heilpraktikerin sei und es nach den Befunden keine Behandlungsmöglichkeit gäbe; Befunde und Befundkontrollen fügte sie bei.

Nach Auswertung der beigefügten Unterlagen und einer versorgungsärztlich internistischen Begutachtung durch den Internisten Dr.S. vom 20.03.1997 stellte der Beklagte mit Bescheid vom 17.09.1997 rückwirkend zum 20.03.1997 als Behinderung eine Blutarmut mit einem GdB von 50 fest, Merkzeichen verneinte er. Zuvor hatte er mit Bescheid vom 01.07.1997 einen Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Bundesseuchengesetz abgelehnt.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 25.09.1997 Widerspruch ein, den sie am 09.10.1997 unter Hinweis auf die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz", 1996, (AP) u.a. damit begründete, der angefochtene Bescheid sei weder im Interesse einer bundesweiten Gleichbehandlung der Behinderten zur sozialen Gerechtigkeit noch nach der angeführten versorgungsärztlichen Auswertung aller dokumentierten Befunde ihrer Gesundheitsstörungen erstellt. Sie beantrage nunmehr die Erhöhung des GdB auf 100 mit den Merkzeichen G, aG, RF, 1. Klasse. Allgemein verwies sie darauf, dass bei ihr eine sehr seltene Form einer Eisenmangelanämie vorliege.

Der MedizinaldirektorDr.K. wertete u.a. auch die G-Akte nach dem Bundesseuchengesetz aus und stellte fest, dass zwischen 06/1994 und 11/1996 insgesamt sieben, in mehrmonatigem Abstand bestimmte Hb-Werte unter 8 g/% dokumentiert seien, und bei der versorgungsärztlichen Begutachtung im März 1997 der Hb-Wert 6,9 g/% betragen habe. Unter Berücksichtigung dieser Parameter könne in Analogie zu den Ausführungen der AP 96 Nr.30 Abs.3 letzter Satz bei einer mit einem GdB von 50 beurteilten Blutarmut dem Vorschlag in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 15.12.1997 auf Zuerkennung des Merkzeichens "G" gefolgt werden.

Mit dem ersten Teilabhilfebescheid vom 18.02.1998 stellte der Beklagte unter teilweiser Abhilfe des Widerspruchs fest, der GdB für die Blutarmut betrage wie bisher 50, die Klägerin erfülle die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" ab 20.03.1997.

Nach Auswertung weiterer Unterlagen wie im Gutachten des Internisten Dr.W. vom 12.01.1998, das im Rahmen des Rentenverfahrens erstellt wurde, stellte die Leitende MedizinaldirektorinDr.H. am 28.04.1998 in ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme fest, eine schwere Eisenmangelanämie mit einem Abfall des Hb auf 7,2 g/dl bestehe, die Kreislaufdysregulation stehe im Zusammenhang mit dieser Anämie, wobei echokardiographisch von Seiten des Herzens keine wesentliche Funktionseinschränkung objektiviert werden könne. Entsprechend ihrem Vorschlag stellte daraufhin der Beklagte mit dem zweiten Teilabhilfebescheid vom 30.06.1998 einen GdB von 60 für

1. Hypotone Kreislaufdysregulation bei Eisenmangelanämie (Einzel-GdB 60),

2. Lungenfunktionseinschränkung (Einzel-GdB 10) und

3. Harninkontinenz (Einzel-GdB 10) sowie

die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" fest. Mit Widerspruchsbescheid vom 14.07.1998 wies er im Übrigen die Widersprüche der Klägerin, so...

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