Leitsatz (amtlich)
Die "Kinder- und Unterhaltsberechtigtenzulage" des Europäischen Patentamts stellt ausländisches Einkommen i.S.v. § 18 a Abs. 1 Satz 3 SGB IV bzw. § 114 SGB IV dar, das dem deutschen Kindergeld der §§ 62 ff. EStG vergleichbar ist. Damit es es nicht als Einkommen gem. § 97 SGB VI auf eine gesetzliche Witwenrente anzurechnen.
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 28. Januar 2010 aufgehoben.
II. Die Bescheide der Beklagten vom 30. Juni 2005 und 27. Juli 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2006 werden insoweit aufgehoben, als darin ab dem 1. Juli 2005 auch die Kinder- und Unterhaltsberechtigtenzulage des Europäischen Patentamts auf die Witwenrente der Klägerin angerechnet wird und die Rückforderung auf dieser Anrechnung beruht.
III. Die der Klägerin in beiden Instanzen entstandenen außergerichtlichen Kosten hat die Beklagte zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig die Höhe der Witwenrente der Klägerin nach Anrechnung der Kinder- und Unterhaltsberechtigtenzulage des Europäischen Patentamtes (EPA).
Die im Jahr 1969 geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige. Sie war mit dem 1970 geborenen rumänischen Staatsangehörigen S. A., geb. C., verheiratet, der im Mai 2001 verstorben ist. Das gemeinsame Kind F. wurde 1999 geboren. In der Folgezeit begann die Klägerin eine Laufbahn als Beamtin des Europäischen Patentamts in A-Stadt (EPA).
Durch Bescheid vom 13.07.2001 gewährte die Beklagte der Klägerin eine große Witwenrente. Dabei kam es zu einer - im Ergebnis geringfügigen - Anrechnung des damals niedrigen Erwerbseinkommens der Klägerin (Anwärtervergütung für B-Laufbahn des EPA; Bruttorentenzahlbetrag 568,45 € vor Anrechnung; nach Anrechnung eigenen Einkommens 505,34 €; 463,40 € Nettorentenzahlbetrag). Mit den Bescheiden vom 07.05.2002 und 19.05.2003 hat die Beklagte die Witwenrente jeweils neu festgestellt.
Die Klägerin zeigte am 16.09.2003 an, dass sich ihr Gehalt seit dem 01.09.2003 geändert habe (nach Bestehen der Laufbahnprüfung reguläre Dienstbezüge an Stelle der Anwärterbezüge). Sie legte eine Gehaltsmitteilung vor, in der ab dem 01.09.2003 auch eine Kinderzulage in Höhe von 260,74 € getrennt ausgewiesen ist.
Nach Anhörung erließ die Beklagte am 30.06.2005 einen auf § 48 SGB X gestützten Neufeststellungsbescheid, mit dem die Witwenrente unter Anrechnung des höheren Gehalts sowie auch der Kinderzulage geringer festgesetzt wurde. Im Neufeststellungsbescheid heißt es, dass der bisherige Bescheid "mit Wirkung ab 01.09.2003" aufgehoben werde. Die in Anlage 8 enthaltene Berechnung weist aus, dass sich für die Zeit ab dem 01.09.2003 keine Änderung der Höhe des anzurechnenden Einkommens ergibt. Erst für die Zeit ab dem 01.07.2005 ergibt sich ein anzurechnendes Einkommen von 539,33 €.
Mit weiterem Bescheid vom 27.07.2005 wird die sich ergebende Überzahlung in Höhe von 433,74 € zurückgefordert.
Mit einem am 28.07.2005 eingegangenen Schreiben vom 25.07.2005 legte die Klägerin gegen einen "Bescheid vom 07.07.2005" Widerspruch ein. Zur Begründung verweist sie darauf, dass das Kindergeld kein gemäß § 18a SGB IV zu berücksichtigendes Einkommen sei. Die Unterhaltsberechtigtenzulage für Beamte des Europäischen Patentamtes erfülle den gleichen Zweck wie das deutsche Kindergeld. Dementsprechend handele es sich nicht um Erwerbseinkommen oder Einkommen im Sinne des § 18a SGB IV. Die Anrechnung müsse rückgängig gemacht werden. Der Widerspruch wurde auf die Anrechnung der Kinder- und Unterhaltsberechtigtenzulage beschränkt.
Beigefügt wird eine Bestätigung des Europäischen Patentamtes vom 14.09.2005, in der die Unterhaltsberechtigtenzulage als im Prinzip dem deutschen Kindergeld entsprechend bezeichnet wird.
Mit Bescheid vom 15.02.2006 wurde der Widerspruch gegen den Bescheid vom 30.06.2005 in der Fassung des Bescheids vom 27.07.2005 zurückgewiesen. Ausgeführt wird, dass die mit dem Gehalt gezahlte Kinder- und Unterhaltsberechtigtenzulage eine Einnahme aus einer Beschäftigung und somit Erwerbseinkommen darstelle. Diesen Teil der Bezüge erhalte die Widerspruchsführerin nur deshalb, weil sie für das Patentamt arbeite. Dagegen werde das gesetzliche Kindergeld allein wegen der Elternstellung gewährt und unabhängig davon, ob Erwerbsarbeit verrichtet werde. Für Erwerbseinkommen gebe es auch keine dem § 18a Abs. 3 Satz 2 SGB IV vergleichbare Ausnahmevorschrift für kindbezogene Leistungen. Ein atypischer Fall liege nicht vor.
Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht München erhoben, die mit Urteil vom 28.01.2010 abgewiesen wurde. Zur Begründung ist ausgeführt, dass nach dem eindeutigen Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV Arbeitsentgelt im Sinne dieser Vorschrift auch Einnahmen seien, die im Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis erzielt würden.
Dagegen richtet sich die zum Bayerischen Landessozialgericht erhobene Berufung. Die Klägerin vertritt weiterhin die Auffassung, dass eine Anrechnung ...