nicht rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufskrankheit. Anerkennung wie eine Berufskrankheit. Formaldehyd. ubiquitärer Stoff. Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft. Kleber zum Verlegen von Teppichboden
Leitsatz (redaktionell)
1. Es fehlt derzeit an neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft, wonach die Voraussetzungen für eine Bezeichnung des MCS-Syndroms als Berufskrankheit erfüllt wären.
2. Formaldehyd gehört zu den sogenannten ubiquitären Stoffen, denen jeder Mensch z.B. durch Zigarettenrauch, Autoabgase sowie Möbel, Farben und Textilien exponiert ist. Selbst wenn in einem Büro Kleber, der zum Verlegen des Teppichbodens in den Räumlichkeiten verwandt wurde, als Formaldehydquelle in Betracht käme, wäre noch nicht ersichtlich, inwiefern die Klägerin damit eine höhere Exposition aufzuweisen hätte, als es bei der übrigen Bevölkerung im nicht beruflichen Bereich durch neu verlegte Teppichböden der Fall ist.
Normenkette
SGB VII § 9 Abs. 1-2
Verfahrensgang
SG Augsburg (Entscheidung vom 15.01.2003; Aktenzeichen S 9 U 399/00) |
Nachgehend
BSG (Aktenzeichen B 2 U 97/05 B) |
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 15.01.2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines MCS als Berufskrankheit.
Die Klägerin machte im März 1998 gegenüber der Beklagten ein MCS, hervorgerufen durch wesentlich erhöhte Schadstoffwerte - Formaldehyd - geltend. Sie führte dies auf Tätigkeiten in einem hochbelasteten Büroraum seit 1993 zurück. Im Sommer 1994 seien die ersten Krankheitsbeschwerden aufgetreten.
Eine Messung im Oktober 1996 hatte in dem Arbeitsraum eine Konzentration vom 0,4 ppm Formaldehyd ergeben. Der MAK-Wert war 0,5 ppm, der vom Bundesgesundheitsamt empfohlene Wert für Innenräume war weniger als 0,1 ppm. Die Konzentration könne nur aus den vorhandenen Innenräumen kommen, als Ursache komme insbesondere ein verklebter Teppichboden in Frage.
Im Jahre 1998 machte die Klägerin gegenüber dem behandelnden Hautarzt Dr.M. geltend, die Beschwerden seien immer im Büro, insbesondere beim Lagern frisch gedruckter Plakate aufgetreten. Dr.M. konstatierte bei der Klägerin im November 1996 eine toxisch induzierte Polyneuropathie. Der Neurologe und Psychiater Dr.S. kam im Juni 1997 nach entsprechenden Untersuchungen zu dem Ergebnis, für die Beschwerden der Klägerin gebe es kein organneurologisches Korrelat, es bestehe auch keine klinisch manifeste Polyneuropathie.
Im September 1998 erfolgte eine Berufskrankheitenanzeige durch Dr.M. , in der zwar zahlreiche Beschwerden, Untersuchungsbefunde, jedoch keine Krankheit genannt wurde. Der von der Beklagten gehörte Gewerbeärztliche Dienst sprach sich gegen die Anerkennung eines MCS als Berufskrankheit aus.
Mit Bescheid vom 08.04.1999 verweigerte die Beklagte die Anerkennung der Beschwerden der Klägerin (MCS) als Berufskrankheit. Als Entscheidungsgrundlage war § 9 Abs.1 SGB VII genannt. Ausgeführt war in der Begründung u.a., die Auslösung der Beschwerden durch Formaldehyd sei nicht wahrscheinlich.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und ließ ihn durch Dr.M. begründen. In dieser Begründung wurde ausgeführt, bei der Klägerin liege ein MCS vor, wobei es sich um eine neue Krankheit handle, deren Erfassung als Berufskrankheit der Gesetzgeber ausdrücklich nicht ausgeschlossen habe.
Die Beklagte holte hierzu ein Gutachten des Internisten, Nephrologen und Umweltmediziners Prof.Dr.H. vom 19.01.2000 ein. Der Sachverständige führte aus, für MCS gebe es keine spezifischen Nachweise und qualitätskontrollierten Diagnoseverfahren. Es bestehe allerdings ein direkter zeitlicher Zusammenhang der Beschwerden mit einer Formaldehydbelastung und ein anderer Zusammenhang sei nicht ersichtlich. Der Ursachenzusammenhang sei damit lückenlos, wie dies in einem Berufskrankheitenverfahren zu fordern sei. Die Voraussetzung für eine BK nach 5101 seien gegeben. Eine bestimmte Erkrankung der Klägerin nannte der Sachverständige nicht. Bei der Nr.5101 handelt es sich um schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen, die zur Unterlassung aller potenziell schädigenden Tätigkeiten gezwungen haben. Eine Hauterkrankung findet sich weder in dem Gutachten des Sachverständigen, noch in den Berichten der behandelnden Ärzte noch bei den Beschwerdenangaben der Klägerin.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 02.10.2000 zurück. Weder nach § 9 Abs.1 noch nach Abs.2 SGB VII sei eine Berufskrankheit anzuerkennen. Bezüglich des MCS gebe es keine neuen Erkenntnisse, wie sie für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach § 9 Abs.2 SGB VII erforderlich seien.
Im April 2002 erfolgte eine weitere Anzeige über eine Berufskrankheit durch den Nervenarzt Dr.B ... Als Untersuchungsergebnisse mit Diagnosen wurden angegeben: Neuropathie, Myopathie, schwere Ataxie, Wesensänderung und Überempfindlichkeit. Potenziell belastende Arbeit...