Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Gesellschafter-Geschäftsführer in einer Steuerberatungsgesellschaft. außergesellschaftsvertragliche notarielle Poolvereinbarung über Stimmrechtsausübung. Rechtsmacht. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit
Orientierungssatz
Zur sozialversicherungsrechtlichen Einordnung einer Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer in einer GmbH aus freiberuflich tätigen Steuerberatern, die auf einer außergesellschaftsvertraglichen, notariellen Poolvereinbarung über die Stimmrechtsausübung basiert, womit dem Gesellschafter-Geschäftsführer eine ihm aus dem Gesellschaftsrecht wurzelnde Rechtsmacht, die ihn in die Lage versetzt, eine Einflussnahme auf seine Tätigkeit insbesondere durch ihm unter Umständen unangenehme Weisungen von Seiten der weiteren Geschäftsführer bzw der Gesellschafterversammlung zu verhindern, nicht zugewachsen ist.
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 13.01.2015 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Notwendige Auslagen in beiden Instanzen sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens streitig, ob der Kläger in seiner Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer für die Beigeladene zu 1) (im Folgenden: Beigeladene) ab dem 01.09.2010 versicherungspflichtig in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis bis zu seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft am 01.05.2018 tätig war.
Der 1982 geborene Kläger ist Diplomkaufmann und Steuerberater und einer von vier Gesellschafter-Geschäftsführern der Beigeladenen. Die Beigeladene ist eine Steuerberatungsgesellschaft mbH. Die vier Geschäftsführer sind alleinvertretungsberechtigt und vom Selbstkontrahierungsverbot befreit. Alle Gesellschafter üben den freien Beruf des Steuerberaters mit eigenem Mandantenstamm aus. Der Jahresgewinn wird nach § 29 GmbHG nach Geschäftsanteilen verteilt.
Nach § 9 der Satzung i.V.m. dem notariellen Gesellschafterbeschluss vom 05.04.2000 werden Gesellschafterbeschlüsse grundsätzlich mit einfacher Mehrheit der in der Gesellschafterversammlung abgegebenen und stimmberechtigten Stimmen gefasst, soweit der Gesellschaftsvertrag oder das Gesetz nicht zwingend eine andere Mehrheit vorschreiben. Für die gesetzlich vorgesehenen Fälle sowie im Vertrag ausdrücklich benannte Gesellschafterbeschlüsse bedarf es einer qualifizierten Mehrheit von 75 % der in der Gesellschafterversammlung abgegebenen Stimmen. Die Abstimmung in der Gesellschafterversammlung erfolgt unabhängig vom Umfang der Stammeinlage der einzelnen Gesellschafter nach der Anzahl der Gesellschafter.
Am 10.08.2010 schlossen der Kläger und ein weiterer Gesellschafter (der Vater des Klägers) in Anwesenheit der weiteren beiden Gesellschafter in einem notariellen Vertrag eine Poolvereinbarung. Mit diesen notariellen Vereinbarungen sollen die Geschäftsanteile des Klägers und seines Vaters wirtschaftlich so zusammengelegt werden, dass ihnen alle Teile gemeinschaftlich zugerechnet werden. Die beiden betroffenen Gesellschafter bilden einen Verfügungs- und Stimmenrechtspool im Sinne von § 13 b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ErbStG. Dort heiß es (III Nr. 2 c u. d), die Mitglieder des Pools seien grundsätzlich verpflichtet, das sich aus ihren GmbH-Anteilen ergebende Stimmrecht gegen nicht gebundene Gesellschafter einheitlich auszuüben. Deshalb sei für jede Stimmabgabe in der GmbH ein Beschluss der Mitglieder dieses Pools darüber herbeizuführen, wie die Stimmrechte in der GmbH ausgeübt werde. Die Stimmgewichtung im Pool richte sich nach den Regelungen der GmbH. Die einheitliche Stimmabgabe in der Gesellschafterversammlung der GmbH erfolge durch den Kläger, ersatzweise durch das an Jahren älteste Mitglied dieses Pools, oder bei dessen Verhinderung durch ein anderes mit Mehrheit hierzu bestimmtes Mitglied der notariellen Vereinbarung. Dieser Verfügungs- und Stimmrechtspool sei eine Innengesellschaft bürgerlichen Rechts ohne Gesamthandsvermögen, Geschäftsführender Gesellschafter ist der Kläger. Die Frage einer eventuellen einseitigen Kündigung des Vertrages ist nicht Vertragsgegenstand. Aus IV der Vereinbarung geht hervor, dass eine Änderung bzw. Anpassung der Poolvereinbarung einvernehmlich jederzeit möglich ist.
Am 01.09.2010 schlossen der Kläger und die Beigeladene einen Geschäftsführeranstellungsvertrag. Dabei wurde geregelt, dass der Kläger entgeltliche Nebentätigkeiten nur mit vorheriger schriftlicher Zustimmung der Beigeladenen ausüben dürfe. Der Kläger erhält vertraglich eine Festvergütung als Geschäftsführer in Höhe von 4.000 Euro sowie zuzüglich übliche Tantiemen. Laut Vertrag trägt die Beigeladene den kraft Gesetzes obliegenden Anteil an der Sozialversicherung. Tatsächlich erhält der Kläger keinen Zuschuss zur Krankenversicherung und trägt auch die Beiträge an das Versorgungswerk selbst (vgl. Niederschrift zur mündli...