Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. sachlicher Zusammenhang. tätliche Auseinandersetzung unter Betriebsangehörigen. Tatmotiv. betriebsbedingtes Motiv. kompromittierende Äußerungen im Betrieb
Leitsatz (amtlich)
1. Zum Vorliegen eines Arbeitsunfalls bei einer tätlichen Auseinandersetzung unter Betriebsangehörigen.
2. Ein betriebsbedingtes Motiv für einen tätlichen Angriff liegt vor, wenn dieser wegen kompromittierender Äußerungen im Betrieb erfolgt.
Orientierungssatz
Für die Beantwortung der Frage, ob zwischen dem Angriff und der versicherten Tätigkeit ein innerer Zusammenhang besteht, sind in der Regel die Beweggründe entscheidend, die den Angreifer zu seinem Vorgehen bestimmt haben (vgl BSG vom 19.3.1996 - 2 RU 19/95 = BSGE 78, 65 = SozR 3-2200 § 548 Nr 28). Gelangt das Gericht hierbei zu dem Ergebnis, dass betriebliche Vorgänge die wesentliche Ursache zu dem Streit und den Beweggrund für das Handeln des Schädigers gebildet haben, ist der innere Zusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und der versicherten Tätigkeit zu bejahen (vgl BSG vom 19.6.1975 - 8 RU 70/74 = USK 7596).
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 16.07.2015 sowie der Bescheid der Beklagten vom 13.09.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.11.2013 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, das Ereignis vom 23.08.2013 als Arbeitsunfall anzuerkennen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung eines Ereignisses vom 23.08.2013 als Arbeitsunfall.
Der Kläger war als LKW-Fahrer bei der Spedition B., A-Stadt, beschäftigt und in dieser Eigenschaft bei der Beklagten versichert. Ebenfalls in der Spedition war die Zeugin Frau C. (im Folgenden: S) tätig, die die Ehefrau des Arbeitgebers und Vorgesetzte des Klägers war.
Am Nachmittag des 23.08.2013 kam der Kläger nach vorangegangener Arbeitsunfähigkeit und nachfolgendem Urlaub auf Aufforderung seines Arbeitgebers in die Geschäftsräume des Betriebs, um dort seine nächsten Arbeitseinsätze zu besprechen und den Spesenvorschuss abzuwickeln. Nach seiner Ankunft fuhr S mit einem Lkw auf das Betriebsgelände und ging ebenfalls in die Geschäftsräume. Als sie den Kläger erblickte, ging sie zu ihm hin und machte ihm Vorhaltungen. Dabei schlug sie ihm mit der linken Hand gegen die rechte Gesichtshälfte. Der Kläger schlug ihr daraufhin seinerseits mit der linken Faust ins Gesicht. Die tätliche Auseinandersetzung endete, als zunächst ein weiterer Mitarbeiter des Unternehmens und sodann der Arbeitgeber des Klägers dazwischen gingen.
Hintergrund der tätlichen Auseinandersetzung war, dass der Kläger dem Arbeitgeber und weiteren Betriebsangehörigen von einer Geschäftsreise mit dem Zug berichtet hatte, bei der es in der Nacht des 14.07.2013 zu sexuellen Handlungen zwischen S und einem weiteren Mitarbeiter der Spedition gekommen sei. Das Aufeinandertreffen der S mit dem Kläger war das erste, nachdem der Kläger im Betrieb die besagten Äußerungen getätigt hatte.
Noch am 23.08.2013 suchte der Kläger die Fachabteilung Unfallchirurgie des Sana Klinikums A-Stadt zur Notfallbehandlung auf.
Mit Bescheid vom 13.09.2013 (Widerspruchsbescheid vom 20.11.2013) lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 23.08.2013 als Arbeitsunfall ab. Die vom Kläger angegebenen gesundheitlichen Beschwerden würden auf einer Streitigkeit aus ausschließlich privaten Gründen beruhen und somit nicht unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung fallen.
Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Bayreuth (SG) erhoben.
In nicht-öffentlicher Sitzung des SG vom 28.10.2014 hat der Kläger angegeben, er hätte es für seine Pflicht gehalten, den Arbeitgeber über das Geschehene aufzuklären, weil zu ihm aus früherer Zeit eine freundschaftliche Verbindung bestünde. Der Arbeitgeber habe nämlich bei seiner Hochzeit mit seiner früheren Frau die Hochzeitskutsche gefahren. Er sei mit dem Arbeitgeber auch per Du. Aus dieser freundschaftlichen Beziehung heraus habe er es für seine Pflicht gehalten, dem Arbeitgeber von dem Geschehen am 14.07.2013 zu berichten.
Mit Urteil vom 16.07.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Seine Entscheidung hat das SG im Wesentlichen damit begründet, dass es für die Anerkennung des Ereignisses vom 23.08.2013 als Arbeitsunfall an dem notwendigen inneren Zusammenhang zwischen dem tätlichen Angriff der S auf den Kläger und der Verrichtung seiner versicherten Tätigkeit fehle. Insbesondere hätten sich in dem Angriff keine besondere Betriebsgefahr oder Betriebsumstände verwirklicht.
Gegen die Entscheidung des SG hat der Kläger Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt.
Der Senat hat die Akte der Beklagten, die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft A-Stadt mit den Az. XXX und zu der tätlichen Auseinandersetzung der S mit dem Kläger sowie die Akten des LG A-Stadt mit dem Az. XXX betreffend Sc...